Die Turbulenzen in Paris, die sich zu einer Dauerkrise entwickeln, schwächen den französischen Präsidenten, der nicht mehr so kraftstrotzend wirke wie 2017, als er sein Amt antrat, erklärt Stefan Seidendorf. Obwohl Emmanuel Macron weder über eine Parlamentsmehrheit noch über eine stabile Regierung verfüge, bleibe er ein wichtiger Akteur auf europäischer Ebene, erinnert der Politikwissenschaftler.
Diese Dauerkrise werde auch Auswirkungen auf die beim deutsch-französischen Ministerrat in Toulon erarbeiteten Vorhaben haben. Bei diesen sehr unterschiedlichen Projekten – von Künstlicher Intelligenz über Energiepolitik bis hin zum geplanten gemeinsamen Kampfflugzeug – fehle nun die politische Unterstützung, so Seidendorf.
In diesem instabilen Kontext beobachte man in beiden Ländern einen zunehmenden Druck von den Parteien am rechten Rand. Laut jüngsten Umfragen liegen Marine Le Pen und Jordan Bardella vorn. Das Gerichtsurteil gegen Marine Le Pen wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder scheint keine politischen Folgen zu haben. Seidendorf hält einen künftigen Präsidenten oder eine Präsidentin des Rassemblement National zwar für schwer vorstellbar, aber nicht völlig ausgeschlossen.
Schließlich analysiert Seidendorf das politische Dilemma in Frankreich und Deutschland. Die Parteien an den Rändern des politischen Spektrums machen radikale Vorschläge, übernehmen aber keine Regierungsverantwortung. Ihnen gegenüber steht eine geschwächte politische Mitte, die so sehr zusammengeschmolzen ist, dass alle Kräfte zusammenarbeiten müssen, um überhaupt eine Regierung zu bilden.
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