Bei den Département- und Regionalwahlen 2021 in Frankreich haben nur ein Drittel der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Davon profitiert haben die früheren Mehrheitsparteien Les Républicains und Parti Socialiste, die Ihre Mehrheit in zwölf von 13 Regionalräten Zentralfrankreichs behaupten konnten.
Das System zur Wahl der Regional- und Départementräte in Frankreich
Am 20. und 27. Juni werden in 13 Regionen Zentralfrankreichs, vier Regionen in Übersee und in 95 Départements 1.910 Regional- und 4.108 Départementsräte für die kommenden sechs Jahre gewählt.1 Turnusgemäß hätten die Wahlen bereits im März stattfinden müssen, wegen der andauernden Corona-Pandemie wurden sie aber verschoben. Das System, das bei diesen Wahlen angewandt wird, unterscheidet sich stark von den verschiedenen Wahlordnungen, die in Deutschland für Landtags- und Kreisratswahlen angewandt werden.
Die Wahl der Regionalräte erfolgt nach einem Verhältniswahlsystem. Um gewählt werden zu können, müssen sich Kandidaten einer Wahlliste anschließen oder selbst eine bilden. Per Gesetz müssen auf jeder Liste gleich viel weibliche und männliche Kandidaten vertreten und ihre Reihenfolge alternierend sein. Die Sitze im Rat werden entsprechend den Stimmenanteilen, die die verschiedenen Listen erhalten, vergeben. Erreicht eine Liste im ersten Wahlgang einen Stimmanteil von über 50 %, ist kein zweiter Wahlgang nötig. Die siegreiche Liste erhält als Bonus ein Viertel der Ratssitze, bei einem Stimmanteil von 60 % und 200 Ratssitzen also 90 gemäß ihrem Stimmenanteil und 50 als Siegprämie und verfügt so über eine komfortable Mehrheit von 140 Mandaten. Die verbleibenden 60 Sitze werden proportionell an die Listen verteilt, die mindestens 5 % der Stimmen erreicht haben.
Falls im ersten Wahlgang keine Liste die absolute Mehrheit erreicht, muss eine Woche später ein zweiter durchgeführt werden. Dabei können alle Listen, die im ersten mindestens 10 % der Stimmen erhalten haben, erneut antreten. Um ihre Wahlaussichten zu verbessern, können sie sich aber auch mit einer anderen Liste, die ebenfalls über 10 % gekommen ist, zusammenschließen. Diejenigen, die einen Anteil zwischen 5 % und 10 % erhalten haben, dürfen am zweiten Wahlgang nicht mehr eigenständig teilnehmen, können aber mit einer Liste, die über 10 % liegt, fusionieren. Diejenigen, deren Stimmanteil unter 5 % liegt, scheiden aus dem Wahlverfahren aus.
Nach dem zweiten Wahlgang erhält die Liste, die die relative Mehrheit erreicht, die zusätzlichen 25 % der Sitze im Rat. Für eine absolute Mehrheit kann somit ein Stimmanteil von etwas mehr als 33 % genügen. Bei 200 zu verteilenden Mandaten bedeutet dies 51 Mandate gemäß dem Stimmenanteil und 50 als Bonus dazu. Der Präsident des Rats wird von seinen Mitgliedern mit absoluter Mehrheit gewählt.
Die Zahl der Sitze im Regionalparlament richtet sich nach der Größe der Bevölkerung in der jeweiligen Region: Mit 41 Mitgliedern verfügt die Überseeregion Guadeloupe über den kleinsten aller Räte, die Île-de-France als bevölkerungsreichste mit 209 über den größten.
Die Wahl der Départementräte (frz. Conseil général) erfolgt nach dem Mehrheitswahlsystem, wobei seit 2015 eine Kandidatur in einem Wahlkreis nur als gemischtgeschlechtliches Duo möglich ist. In einem Wahlkreis auf Départementebene, dem sogenannten Kanton, werden demnach eine Kandidatin und ein Kandidat gemeinsam direkt gewählt. Die Zahl der Kantone wurde deshalb 2015 um fast die Hälfte reduziert, wobei darauf geachtet wurde, dass auf Départementebene in allen Kantonen ungefähr gleich viele Menschen leben. Um Pattsituationen im Départementrat zu vermeiden, ist die Zahl der Kantone in allen Départements ungerade.
2021 werden in insgesamt 2.054 Kantonen 4.108 Mandate als Départementräte vergeben. Um gewählt zu werden, muss ein Binom in seinem Wahlkreis die absolute Mehrheit der Stimmen, die außerdem mindestens 25 % aller im Kanton Wahlberechtigten repräsentieren müssen, erreichen. Falls dies im ersten Wahlgang keinem Kandidatenpaar gelingt, können an einem zweiten Wahlgang diejenigen teilnehmen, die im ersten mindestens 12,5 % der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich vereinigen konnten. Zusammenschlüsse und Neubildungen von Binomen zwischen den Wahlgängen sind nicht möglich. Im zweiten Wahlgang ist das Kandidatenduo gewählt, dass die einfache Mehrheit der Stimmen erreicht.
Die Größe der Départementräte richtet sich nach der Zahl der Einwohner des jeweiligen Départements, wobei die Zahl der Menschen, die ein einzelner Regionalrat vertritt, sehr unterschiedlich sein kann: Im Département Lozère vertreten 26 Räte ungefähr 77.000 Einwohner, ein Rat also etwas weniger als 3.000; im Département Nord 82 Räte 2.600.000, ein Rat folglich 31.700.
Der Präsident des Départementrats wird von seinen Mitgliedern mit absoluter Mehrheit gewählt. Für alle gewählten Repräsentanten des Rats muss ein andersgeschlechtlicher Stellvertreter bestimmt werden.
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1 Für die Stadt Paris und die Metropolregion Lyon nehmen eigene Räte, die parallel zum Stadtrat gewählt werden, die Aufgaben eines Départementrats wahr, in den Überseeregionen Guyane und Martinique sind Regionalrat und Départementrat identisch. Auf Korsika sind die Kompetenzen der Départements Haute-Corse und Corse-du-Sud an die Gebietskörperschaft Korsika übergegangen, im Elsass wird 2021 erstmals ein Rat für die neu gebildete Europäische Gebietskörperschaft Elsass gewählt, der die Räte der Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin ersetzt.
Ausgangssituation für die Regionalwahlen in Frankreich
Am 20. und 27. Juni werden in den 13 Regionen Zentralfrankreichs und in den Überseeregionen Französisch-Guayana, Guadeloupe, Martinique und La Réunion die Regionalräte neu gewählt.
Ausgangssituation: Im Dezember 2015 wurden erstmals Wahlen in den im Januar 2015 neu gebildeten Regionen durchgeführt. Dabei konnten Linksbündnisse unter Führung der Parti Socialiste (PS) fünf Regionen (Bourgogne-Franche-Comté, Bretagne, Centre-Val de Loire, Nouvelle-Aquitaine, Occitanie) für sich gewinnen, die Parlamente sieben weiterer zentralfranzösischer Regionen und von La Réunion werden seitdem von Bündnissen von Rechtsparteien dominiert. Auf Korsika und Martinique stellen Regionalparteien die Mehrheit, auf Guadeloupe und in Französisch-Guayana Linksbündnisse ohne klar definierte Parteizugehörigkeit.
Am 17. Mai 2021, dem Stichtag zur Einreichung von Wahllisten, wurden insgesamt 155 Wahlvorschläge bei den Präfekturen der 17 Regionen hinterlegt: Die größte Auswahl haben am 20. Juni die Wähler auf Martinique, die sich für eine von 14 Gruppierungen entscheiden müssen, die kleinste die Wähler in Französisch-Guayana, wo sich nur vier Listen zur Wahl stellen. In den Regionen Zentralfrankreichs treten zwischen sieben und 13 Listen zur Wahl an.
Wahlbündnisse: Bei den Regionalwahlen scheiden Listen, die im ersten Wahlgang weniger als 5 % der abgegebenen Stimmen bekommen haben, aus dem Wahlverfahren aus; Listen, die mehr als 5 %, aber weniger als 10 % erreichen, können mit Listen, die mehr als 10 % erhalten haben, fusionieren, aber nicht unabhängig am zweiten Wahlgang teilnehmen.
Aus diesem Grund haben sich v.a. Parteien aus dem linken politischen Lager darum bemüht, mit anderen Gruppierungen aus ihrem Spektrum Wahlbündnisse zu schließen, um ein Ausscheiden oder eine erzwungene Fusion nach dem ersten Wahlgang zu vermeiden. Letztlich ist es aber nur in der Region Hauts-de-France gelungen, eine Kandidatenliste aufzustellen, auf der Vertreter der PS, von Europe Écologie Les Verts (EELV), La France insoumise (LFI) und weiterer kleinerer Linksparteien gemeinsam antreten. In der Region PACA kam ein breites Linksbündnis ohne LFI zu Stande, das deshalb dort wegen geringer Wahlchancen auf eine eigene Liste verzichtet hat. In allen anderen Regionen stellen sich Repräsentanten dieser Parteien auf mindestens zwei verschiedenen Listen zur Wahl, wobei sich die Konstellationen jeweils unterscheiden: EELV hat mit der PS und verschiedenen anderen Kleinparteien auch im Grand-Est und in der Normandie gemeinsame Listen aufgestellt, in Centre-Val de Loire und Pays de la Loire sind die französischen Grünen Bündnisse mit LFI und anderen Kleinparteien eingegangen.
Die von Präsident Emmanuel Macron gegründete Partei La République en marche (LREM) nimmt erstmals an den Regionalwahlen teil, meist im Bündnis mit ihrem Koalitionspartner in der Assemblée Nationale, dem Mouvement démocrate (Modem), und anderen Zentrumsparteien. Da ihr in keiner Region Siegchancen eingeräumt werden, haben ihre Vertreter in einigen Regionen versucht, schon im ersten Wahlgang mit Les Républicains (LR) zu kooperieren, diese Bemühungen waren aber nur in PACA von Erfolg gekrönt: Hier hat der LR-Spitzenkandidat 15 Vertreter aus dem Regierungslager auf seine Liste genommen und LREM-Modem haben im Gegenzug ihren eigenen Wahlvorschlag zurückgezogen. Dieser Schritt hat innerhalb der LR zu großen Unstimmigkeiten geführt: Ein Teil der Partei befürchtet, dass solche Kooperationen zu einem Verlust des eigenen Profils und so letztlich zu einem Verschmelzen mit LREM führen könnten, andere sehen darin eine Option der Machtsicherung für die gemäßigte Rechte. In keiner Region sind nach dem ersten Wahlgang eindeutige Mehrheitsverhältnisse zu erwarten, deshalb wird die innerparteiliche Diskussion über eine Zusammenarbeit mit Vertretern der Mehrheit in der Assemblée Nationale nach dem 20. Juni vermutlich auch in anderen Regionen neu geführt werden müssen.
Der Rassemblement national (RN) hat im Vorfeld der Wahlen versucht, sich für rechtskonservative Vertreter anderer Parteien zu öffnen, allerdings ist es ihm nur in wenigen Fällen gelungen, renommierte Kandidaten für sich zu gewinnen, die ursprünglich den LR bzw. ihren Vorgängerparteien angehörten: Ihr Spitzenkandidat Thierry Mariani in PACA gehörte früher für die LR der Assemblée Nationale an, in der Occitanie führt ihre Liste der ehemalige UMP-Abgeordnete Jean-Paul Garraud an. In Auvergne-Rhône-Alpes wurde Andréa Kotarac, der 2015 als LFI-Vertreter ins Parlament dieser Region gewählt wurde, auf den ersten Listenplatz gesetzt. Neben Kotarac (Jahrgang 1989) schickt der RN auch in anderen Regionen relativ junge Spitzenkandidaten ins Rennen: In Nouvelle-Aquitaine die 33jährige Edwige Diaz, in Bourgogne Franche-Comté den 36jährigen Julien Odoul und in der Île-de-France den 25jährigen Jordan Bardella, der bereits die RN-Liste bei den Europawahlen 2019 anführte und seitdem die Partei im Europaparlament vertritt. Obwohl für alle von der Partei unterstützten Listen Ergebnisse von über 20 % im ersten Wahlgang vorausgesagt werden, wird ihr Vorschlag vermutlich allenfalls in PACA, wo sie mit der Spitzenkandidatin Marion Maréchal 2015 45 % der Stimmen im zweiten Wahlgang erreichte, siegreich sein.
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Themen im Wahlkampf um die Regionalräte in Frankreich
Am 31. Mai hat der Wahlkampf um die Regionalräte offiziell begonnen. Dabei stehen mit Sicherheit und Einwanderung zwei Themen im Vordergrund, auf deren politische Ausgestaltung die Mandatsträger, die am 20. und 27. Juni neu gewählt werden, kaum Einfluss haben. Die Sicherheitslage sehen allerdings laut einer Umfrage derzeit 47 % der Franzosen als wichtigstes gesellschaftliches Problem an und kann deswegen von den Kandidaten kaum ignoriert werden. Vor allem Vertreter des Rassemblement National (RN) stellen einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl vieler Franzosen und einer angeblich unkontrollierten Einwanderung her. Deshalb haben sie diese zum Thema ihrer Kampagne gemacht und fordern bei Wahlkampfauftritten eine restriktivere Migrationspolitik. Thierry Mariani, RN-Spitzenkandidat in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA) begründet diese Fokussierung auf eigentlich deplatzierte Sachfragen damit, dass die anstehenden Wahlen aus seiner Sicht auch dazu dienen sollten, gegen die Politik der amtierenden Regierung des Landes zu protestieren.
Bereiche, in denen die Räte über die alleinige Zuständigkeit für ihre Region verfügen, sind die wirtschaftliche Entwicklung, die Verteilung von EU-Geldern, die weiterführenden Schulen ab der Klassenstufe 10, die berufliche Ausbildung, der öffentliche Nahverkehr und die Raumordnung. Darüber hinaus bestimmen sie gemeinsam mit anderen Körperschaften über Tourismus, Kultur und Sport, das Wohn- und Gesundheitswesen und die Volkshochschulbildung in ihrer Gemarkung. Konkrete Vorschläge in den Wahlprogrammen der verschiedenen Listen beziehen sich folglich auf diese Themenfelder.
In der Region Île-de-France wird beispielsweise im Wahlkampf viel über den öffentlichen Nahverkehr diskutiert: Die von der Parti Socialiste (PS) unterstützte Liste fordert hier, ab September 2021 den ÖPNV kostenlos anzubieten, zunächst für Jugendliche und junge Erwachsene, im Anschluss schrittweise für alle anderen Bevölkerungsgruppen. Die Kandidaten, die von Europe Écologie Les Verts (EELV) unterstützt werden, treten für einen massiven Ausbau des ÖPNV und des Radwegenetzes in der Île-de-France ein. Letzteres Ziel wird auch von der amtierenden Regionalratspräsidentin, der rechtskonservativen Valérie Pécresse, in kleinerem Umfang angestrebt. Gleichzeitig tritt sie, ähnlich wie die Vertreter der Regierungspartei La République en Marche (LREM) und des RN, dafür ein, die Sicherheit in Nahverkehrszügen und -bahnhöfen zu verbessern. Dies will sie durch die Bündelung von verschiedenen Sicherheitskräften unter dem Dach einer regionalen Polizei für Transport erreichen. RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella verspricht im Falle seines Wahlsiegs dafür zu sorgen, dass in jedem Nahverkehrsbahnhof permanent zwei bewaffnete Sicherheitskräfte präsent sein werden, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dafür sollen in seinem ersten Mandatsjahr 1.000 zusätzliche Sicherheitskräfte auf Kosten der Region eingestellt werden.
Die Forderung nach einem kostenlosen ÖPNV wird auch in anderen Regionen erhoben, z.B. von der Liste der amtierenden Regionalratspräsidentin Carole Delga (PS) in der Occitanie, der einzigen gemeinsamen Liste der Linksparteien in der Region Hauts-de-France oder einer linken Liste unter Führung von La France Insoumise (LFI) in der Region Grand-Est.
Um die Jugendlichen zu unterstützen schlägt die LREM-Liste in Hauts-de-France vor, einen „Pass für die Freiheit der Jugendlichen“ einzuführen, der sich aus Beihilfen in Höhe von 500 € für kulturelle Vorhaben und 500 € für Gesundheits-, Sport-, Ausbildungs- und Mobilitätsprojekte (z.B. um einen Führerschein oder ein Interrail-Ticket zu erwerben) zusammensetzt. Parallel dazu sollen 16 – 25jährige, die die Schule ohne Abschluss verlassen und keine Ausbildung haben, durch gezielte Maßnahmen wieder ins Berufsleben eingegliedert werden. In Rhône-Alpes hat der Regionalratspräsident Laurent Wauquiez, Mitglied von Les Républicains (LR), im Gegensatz dazu seit 2015 die Unterstützungsmaßnahmen für Auszubildende und Arbeitssuchenden massiv eingeschränkt und sogar staatliche Unterstützungsgelder, die der Region dafür zugestanden hätten, zurückgewiesen. Dies hat er damit begründet, dass Rhône-Alpes sparen müsse und deshalb keine „Parkpraktika“ unterstützen könne. An diesem Standpunkt will er in einer zweiten Amtszeit festhalten und den Schwerpunkt seiner Tätigkeit erneut auf die Förderung der lokalen Wirtschaft legen.
In ländlich geprägten Regionen wie Centre-Val de Loire, Hauts-de-France oder Nouvelle-Aquitaine fordern RN-Kandidaten, den Bau von Windrädern einzuschränken und vor einer Baugenehmigung lokale Referenden darüber durchzuführen.
Im Hinblick auf eine gesunde Ernährung, eine Förderung der lokalen Produktion und der Biolandwirtschaft sprechen sich in der Île-de-France sowohl die rechtskonservative Liste Libres ! als auch das Bündnis unter Führung von EELV dafür aus, für die Zubereitung der Mahlzeiten in den Kantinen der Lycées Nahrungsmittel zu verwenden, die möglichst aus lokaler Produktion stammen und nach Biokriterien hergestellt wurden.
Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Regionalwahlen 2021 in Frankreich
Am 20. Juni 2021 hat der erste Wahlgang der französischen Regionalwahlen stattgefunden. Die Wahlbeteiligung erreichte dabei einen historischen Tiefpunkt und lag mit 33,3 % 16 Prozentpunkte unter derjenigen der Regionalwahlen 2015 und fast 8 % unter derjenigen der Kommunalwahlen im Juni 2020. Die höchste Wählermobilisierung wurde auf Korsika verzeichnet, wo über 42 % der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, in den Regionen Grand-Est und Île-de-France taten dies hingegen nur um die 30 %. In den Wahllokalen am stärksten vertreten war die Altersgruppe der über 64jährigen, von denen 47 % ihre Stimme abgaben. Enthalten haben sich der Wahl vor allem junge Menschen: Nur 18 % der Wähler unter 35 Jahren machten von der Möglichkeit Gebrauch, ihren politischen Willen auszudrücken. Als Ursachen dafür angesehen werden u.a.
ein Wahlkampf, der auch nach der Aufhebung vieler pandemiebedingter Einschränkungen nicht sehr intensiv geführt wurde und bei der Bevölkerung auf wenig Interesse stieß,
der niedrige Bekanntheitsgrad vieler Kandidaten,
ein wenig ausgeprägtes Wissen über die Kompetenzen und Aufgaben der zu wählenden Räte und damit die Auswirkungen des eigenen Votums.
Diejenigen, die zur Wahl gingen, gaben ihre Stimmen v.a. den Listen der amtierenden Regionalratspräsidenten, die in 12 von 13 Regionen Zentralfrankreichs auf dem ersten Platz lagen. In der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA) erreichte die Liste des konservativen Regionalratspräsidenten Renaud Muselier, der bereits vor dem ersten Wahlgang eine Kooperation mit den Regierungsparteien La République en marche (LREM) und Mouvement démocrate (Modem) eingegangen war, den zweiten Platz hinter der Liste des Rassemblement National (RN). PACA ist damit die einzige Region, in der die Bildung einer sogenannten „Republikanischen Front“ (frz.: Front républicain) nötig erscheint, um zu verhindern, dass eine vom RN unterstützte Liste im Regionalrat die absolute Mehrheit erreicht und dessen Präsidenten stellt 1 In PACA sind deshalb 2015 die Vertreter der Linksparteien im zweiten Wahlgang nicht mehr angetreten, was zur Folge hatte, dass seitdem im Regionalrat keine linke Opposition mehr vertreten ist. Jean-Laurent Félizia, Spitzenkandidat einer linken Liste, die sowohl EELV und PS unterstützten und die mit knapp 17 % den dritten Platz erreichte, weigerte sich aus diesem Grund zunächst, sich erneut zurückzuziehen, gab letztlich aber dem Druck der Führungen beider Parteien nach. Im zweiten Wahlgang können sich die Wähler in PACA wie 2015 folglich nur zwischen einer LR- und einer RN-Liste entscheiden.
Anders als in zahlreichen Umfragen vorausgesagt, verliert der RN gegenüber den Regionalwahlen von 2015 8,3 % und liegt in keiner Region außer PACA an erster Stelle. Besonders deutlich sind seine Verluste mit jeweils fast 15 % in den Regionen Hauts-de-France und Grand-Est, wo die RN-Listen 2015 mit profilierten Spitzenkandidaten einen Stimmenanteil von 40 bzw. 36 % erreichten.
Neben dem RN zählt auch das Regierungslager zu den Wahlverlierern. Den Listen von LREM und dem Modem werden in keiner Region Chancen eingeräumt, im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit zu erreichen. In allen Regionen liegt ihr Stimmenanteil deutlich unter 20 %; in Auvergne-Rhône-Alpes, Hauts-de-France und Occitanie sogar unter 10 %, so dass sie hier nur am zweiten Wahlgang teilnehmen können, wenn sie mit einer anderen Liste fusionieren. Ihr unausgesprochene Wahlziel, die Les Républicains (LR) im zweiten Wahlgang zu Bündnissen zu zwingen, um absolute Ratsmehrheiten zu sichern und so die Grenzen zwischen beiden Lagern aufzuweichen, konnten sie nirgendwo erreichen.
Die Listen, die von Les Républicains (LR) unterstützt werden, erzielen landesweit einen Stimmenanteil von 29 %, womit die Partei als Wahlsieger gilt. Besonders die Arbeit der konservativen Regionalratspräsidenten Xavier Bertrand in Hauts-de-France und Laurent Wauquiez in Auvergne-Rhône-Alpes wird mit jeweils über 40 % Zustimmung von den Wählern honoriert. In der bevölkerungsreichten Region Frankreichs, der Île-de-France, erreicht die Liste der Regionalratspräsidentin Valérie Pécresse knapp 36 % der Stimmen und hat gute Chancen, im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit zu erreichen. Allen drei Politikern werden Ambitionen nachgesagt, bei den Präsidentschaftswahlen 2022 für das konservative Lager anzutreten, wobei Bertrand und Pécresse 2017 bzw. 2019 aus der Partei ausgetreten sind.
Das gemäßigte linke politische Lager konnte sich in den von ihm dominierten Regionen ebenfalls behaupten und kann sogar darauf hoffen, in einem von EELV- und PS-Vertretern getragenen Bündnis im zweiten Wahlgang in dem bisher konservativ dominierten Pays de la Loire vor den LR zu liegen. Matthieu Orphelin, der 2017 als LREM-Kandidat in die Assemblée Nationale gewählt wurde und nun für EELV aktiv ist, könnte so der erste Präsident eines Regionalrats werden, der EELV angehört.
Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Regionalwahlen 2021 in Frankreich als PDF-Datei
1Unter der „Republikanischen Front“ versteht man den Rückzug der für die Teilnahme am zweiten Wahlgang berechtigten Listen zugunsten der bestplatzierten Liste, die das gemäßigte linke bis rechte Spektrum vertritt, um einen Sieg des RN zu verhindern.
Ergebnisse des zweiten Wahlgangs der Regionalwahlen 2021 in Frankreich
Am 27. Juni 2021 hat der zweite Wahlgang der französischen Regionalwahlen stattgefunden. Die Wahlbeteiligung lag mit 34,3 % mit einem Prozentpunkt leicht über derjenigen im ersten Wahlgang, aber 24 Prozentpunkte unter derjenigen des zweiten Wahlgangs der Regionalwahlen 2015. Damals war sie im Vergleich zum ersten Wahlgang landesweit um 9 % angestiegen, besonders in den sechs Regionen, in denen die Listen des Rassemblement National (RN, seinerzeit noch Front National) im ersten Wahlgang an erster Stelle gelegen waren. In Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA), der einzigen Region, in der dies einer vom RN unterstützte Liste 2021 gelungen war, hat dies diesmal zu keiner größeren Wählermobilisierung geführt. Mit 36,8 % lag die Wahlbeteiligung hier nur 2,4 % über dem Landesdurchschnitt und unter der in der Occitanie (37,2 %) oder der auf Korsika, wo sie mit 58,9 % am höchsten lag. In der Region Grand-Est war sie erneut am niedrigsten, hier suchten nur drei von zehn Wahlberech-tigten ihr Wahllokal auf. Besonders niedrig war erneut auch die Beteiligung der 18 – 24jährigen: Unter ihnen nahmen landesweit nur 20 % ihr Wahlrecht war.
In PACA erhielt die rechtskonservative Liste Notre Région d'abord des amtierenden Regionalratspräsidenten Renaud Muselier 57,3 % der gültigen Stimmen und verfügt so bis 2027 über eine komfortable Mehrheit im Rat, wurde aber nur von knapp 20 % der Wahlberechtigten gewählt. Die „Republikanischen Front“1 (frz.: Front républicain) hat in dieser Region also erneut den Zweck erfüllt, die absolute Mehrheit einer RN-Liste zu verhindern. Es wird aber offensichtlich, dass immer weniger Wähler dazu bereit sind, Kandidaten zu wählen, deren inhaltliche Ziele sie nur sehr eingeschränkt unterstützen, um eine rechtsextremistische Mehrheit zu verhindern.
Diejenigen, die ihre Stimmen abgaben, unterstützten noch deutlicher als im ersten Wahlgang die Wahlvorschläge der Amtsinhaber, die in allen 12 Regionen Zentralfrankreichs und auf Korsika wiedergewählt wurden. Nur auf La Réunion, wo bisher ein konservatives Wahlbündnis die Mehrheit bildete, konnte ein Linksbündnis unter der Führung von Huguette Bello, die bis 2012 der kommunistischen Partei der Insel angehörte, einen Wechsel an der Spitze der Region herbeiführen.
In einigen Regionen hatten sich nach dem ersten Wahlgang neue Linksbündnisse formiert, um gemeinsam rechte Mehrheiten zu brechen: In der Region Auvergne-Rhône-Alpes fusionierten z.B. die Wahlvorschläge, die die Parti Socialiste (PS) und Europe Écologie Les Verts (EELV) in Konkurrenz zueinander im ersten Wahlgang unterstützt hatten. In der Île-de-France konnte ein ähnliches Bündnis gebildet werden, an diesem beteiligten sich auch die Kandidaten der weit linksstehenden Partei La France insoumise (LFI). Der Versuch, durch die Bündelung von Wäh-lerstimmen eine Mehrheit zu erreichen, war aber nirgendwo von Erfolg gekrönt: Laurent Wauquiez, seit 2015 Re-gionalratspräsident in Auvergne-Rhône-Alpes, konnte seinen Stimmenanteil trotzdem auf über 55 % und damit um 10 % gegenüber dem ersten Wahlgang steigern, seine Amtskollegin Valérie Pécresse den ihrer Liste von 36 % auf 46 %. Auch im Pays de la Loire, wo die linken Listen zusammen im ersten Wahlgang etwas mehr Stimmen erhalten hatten als die der konservativen Amtsinhaberin, kam es zu keinem Machtwechsel: Im zweiten Wahlgang konnte hier die konservative Liste ihren Stimmenanteil um 12 % steigern, wohingegen der Anteil der nun vereinigten linken Liste stagnierte. Die Ursache für den Erfolg der konservativen Kandidaten liegt vermutlich darin, dass es ihnen besser gelang, ihre Wähler zu mobilisieren, und außerdem daran, dass Wähler, die eher das Regierungslager un-terstützen, für sie gestimmt haben, um linke Mehrheiten zu verhindern: In den acht Regionen, in denen die Regierungsparteien La République en marche (LREM) und Mouvement démocrate (Modem) am zweiten Wahlgang teilnehmen konnten, büßten sie im Vergleich zum ersten Stimmenanteile ein.
Das konservative Lager, das die Partei Les Républicains (LR) dominiert, konnte sich in sieben Regionen Zentralfrankreichs behaupten und sieht sich durch dieses Ergebnis für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2022 gestärkt. Dem gemäßigten linken Lager, das v.a. die PS und EELV repräsentieren, gelang es seinerseits, in den anderen fünf Regionen Zentralfrankreichs seine Mehrheiten zu verteidigen. Die einzige Region, in der keine Liste eine absolute Mehrheit der Ratssitze auf sich vereinigen konnte, ist die Bretagne: Hier bilden die Vertreter der von der PS unterstützten Mehrheitsliste eine Koalition mit denjenigen einer ökologisch ausgerichteten, von EELV unterstützen Liste.
Neben den Regierungsparteien zählen die Links- und Rechtspopulisten zu den Wahlverlierern: Der RN ist zwar weiterhin in allen Regionalräten Zentralfrankreichs mit eigenen Abgeordneten vertreten, blieb aber deutlich unter seinen Ergebnissen von 2015. Der Aufruf von RN-Präsidentin Marin Le Pen an ihre Anhänger, im zweiten Wahlgang wählen zu gehen, um den RN zu stärken, blieb ungehört. Kandidaten des LFI wurden nur in den Regionen gewählt, wo die Partei Bündnisse mit anderen Linksparteien eingegangen war.
1 Unter der „Republikanischen Front“ versteht man den Rückzug der für die Teilnahme am zweiten Wahlgang berechtigten Listen zugunsten der bestplatzierten Liste, die das gemäßigte linke bis rechte Spektrum vertritt, um einen Sieg des RN zu verhindern.
Presseartikel
Regionalwahlen in Frankreich
Presseartikel zu den Regionalwahlen in Frankreich
- Deutsch- und englischsprachige Presseartikel, erschienen im Jahr 2021
- Französischsprachige Presseartikel, erschienen im Jahr 2021