Das Wahljahr 2017

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen

In fast jedem Jahr finden in Frankreich Wahlen statt.

Das dfi erarbeitet zu jeder dieser Wahlen Programmvergleiche, Kurzanalysen und Portraits von Kandidat*innen und Parteien.

Von der Stimmabgabe als einem Akt der staatsbürgerlichen und demokratischen Meinungsbekundung einst zur Wahlenthaltung als Ausdruck des Misstrauens zahlreicher Bürger gegenüber der Politik heute. Dieses Phänomen lässt sich in fast allen modernen repräsentativen Demokratien beobachten. Dennoch stehen Wahlen in allen Demokratien im Zentrum des staatsbürgerlichen und politischen Lebens, und die Stimmabgabe ist weiterhin der grundlegende Akt des bürgerschaftlichen Engagements jedes Einzelnen.

Um Wahlkämpfe und Wahlergebnisse in Frankreich einordnen zu können, ist es hilfreich, das jeweilige Wahlsystem zu kennen, zu wissen, welche Themen Wählerinnen und Wähler beschäftigen und welche Kandidaten und Parteien mit welchen Programmen versuchen, die Stimmberechtigten von sich zu überzeugen.

  • Kurzanalysen und Vergleiche der Programme der verschiedenene Kandidatinnen und Kandidaten für die Präsidentschaft des Landes
  • Kurzportraits der Kandidatinnen und Kandidaten und der Parteien bzw. der Bewegungen, die sie unterstützten
  • Kurzanalysen zu den Parlamentswahlen
  • Erläuterungen zu den ersten Maßnahmen, die die Regierung von Premierminister Edouard Philippe auf den Weg gebracht hat 

dfi-analyse

| Europa

Revolution oder Realitätssinn? : 2017 – ein Wahljahr der Sonderklasse

Frank Baasner
Deutsch-Französisches Institut (Hrsg.)

2017 , ISSN: 2131193-6

... und sie bewegt sich doch. Die Republik Frankreich galt aus deutscher (und internationaler) Perspektive oftmals als ein erstarrtes Land, verkrustet…

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Programmvergleiche

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Europa und Internationales

Marine Le Pen

  • Wiederherstellung der monetären, legislativen, territorialen und wirtschaftlichen Souveränität Frankreichs.
  • Dazu sollen Verhandlungen mit den europäischen Partnern geführt werden, anschließend sollen die Franzosen in einer Volksabstimmung über die Zu-gehörigkeit Frankreichs zur EU entscheiden
  • Aussetzung von Schengen: Frankreich wird Gren-zen wieder kontrollieren
  • Nationales Recht soll wieder Vorrang vor europäi-schem haben
  • Bildung einer Paneuropa-Union souve¬räner Staa-ten, die die Schweiz und Russland einschließt
  • Kein Nettobeitrag Frankreichs zum EU-Haushalt
  • Austritt aus der Kommandostruktur der NATO

Emmanuel Macron

  • Budget der Euro-Zone in Höhe von mehreren 100 Mrd. € für Investitionen einrichten
  • Dieses Budget soll von einem Parla¬ment der Euro-Zone legitimiert und kontrolliert und von einem Minister für Wirtschaft und Finanzen der Euro-Zone gesteuert werden
  • Schengen-Vereinbarungen bewahren und schützen
  • Verstärkung von Frontex durch 5.000 zusätzliche Grenzwächter an den europäischen Grenzen
  • Gemeinsames Informationssystem für besseren Aus-tausch bei der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen und Terrorismus

 

 

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik

Marine Le Pen

  • Massive Einschränkung des Rechts auf Asyl
  • Geburt in Frankreich verleiht kein Anrecht auf die fran¬zösische Staatsbürgerschaft
  • Keine doppelte Staatsbürgerschaft für Bürger außereuropäischer Staaten

Emmanuel Macron

  • Aufnahme von Flüchtlingen ist eine moralische Ver-pflichtung
  • Schnellere Bearbeitung von Asylverfahren, damit eine zügige Ausbildung und Integration für Personen mit Asylrecht und eine zügige Abschiebung von Personen ohne Asylrecht möglich ist

 

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Wirtschafte-, Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik

Marine Le Pen

  • Rücknahme der Reform des Arbeitsrechts
  • Vergabe öffentlicher Aufträge vorzugs¬weise an französische Unternehmen
  • Plan zur Reindustrialisierung Frank¬reichs auflegen
  • 35 Stunden Woche beibehalten, Branchen können 37- oder 39-Stunden-Wochen bei vollem Lohnausgleich aus¬handeln
  • Rente: Renteneintritt mit 60 Jahren oder nach 40 Jah-ren Beitragszahlungen
  • Erhöhung des Rentenbudgets um alle Leistungen, die nach dem nationalen Solidaritätsprinzip anfal¬len, finanzieren zu können
  • Kaufkraftprämie für alle Arbeitnehmer und Rent¬ner, die ein Einkommen von weniger als 1.500 € netto monatlich beziehen
  • Keine Privatisierung der staatlichen Eisenbahngesellschaft und der Post, Staat soll die Kontrolle über das Energieunternehmen EDF wieder übernehmen

Emmanuel Macron

  • Arbeitsrecht auf grundsätzliche Normen be-schränken, 35-Stunden Woche beibehalten, Branchen und Unterneh¬men können flexiblere Arbeitszeiten aushandeln
  • Streichung von 120.000 Beamtenstellen (nicht in Hospitälern)
  • Bis 2022 Garantie eines Renteneintritts mit 62 Jahren oder nach 42 Jahren Beitragszahlungen
  • Aufbau eines universellen Rentensystems, das die 37 speziellen Rentensysteme ersetzt und gleich-ermaßen für Beamte wie Angestellte gilt
  • Arbeitslosenunterstützung auch für Selbstständige und Freiberufler und für Arbeitnehmer, die selbst kündigen
  • Bei Ablehnung von akzeptablen Arbeitsangeboten oder fehlendem Engagement bei der Arbeitssuche Verlust des Anrechts auf Unterstützung

 

 

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Finanz- und Steuerpolitik

Marine Le Pen

  • Öffentliche Ausgaben binnen 5 Jahren um 60 Mrd. € reduzieren (Ziel: 2022: 50% -Anteil am BIP)
  • Rückkehr zu einer nationalen Währung
  • Steuern auf Importe und die Beschäftigung von auslän¬dischen Arbeitnehmern
  • Unternehmenssteuern für kleinere und mittlere Unternehmen auf 24% senken
  • Einkommenssteuer für die drei unteren Steuerklassen um 10% senken

Emmanuel Macron

  • Öffentliche Ausgaben binnen 5 Jahren um 60 Mrd. € reduzieren durch Einsparungen im Gesundheitswesen (15 Mrd. €), bei den Gebietskörperschaften (10 Mrd. €), bei den Staatsausgaben (25 Mrd. €), durch Senkung der Arbeitslo¬sigkeit (10 Mrd. €)
  • Investitionsplan in Höhe von 50 Mrd. € (15 Mrd. € für Aus- und Weiterbildung, 15 Mrd. € für den ökologi¬schen und energetischen Wandel, jeweils 5 Mrd. für die Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, das Verkehrswesen und die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung)
  • Unternehmenssteuern von 33,3% auf 25% senken
  • Reform der Vermögenssteuer (keine Steuer auf Kapital, das investiert wird, weiterhin Besteuerung von Immobilieneinkünften)

 

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Energieversorgung und Umwelt

Beide Kandidaten möchten erneuerbare Energien und die energetische Sanierung von Gebäuden fördern.

Marine Le Pen

  • An Atomenergie festhalten, da sie kaum CO2 aus-stößt, keine Schließung des AKW Fessenheim
  • Anteil an fossilen Energien am Energiemix binnen 20 Jahren um die Hälfte reduzieren, um so auch die Kontakte zu Ländern, "die ldeologien exportieren", einzuschränken
  • Gegen die Förderung von Schiefergas

Emmanuel Macron

  • Kein Ausstieg aus der Atomenergie, sicherstellen, dass Frankreich sein Exzellenzwissen in diesem Bereich behält, Schließung des AKW Fessenheim in den nächsten fünf Jahren
  • Staatliche Begleitung der Erweiterung des französischen Energiemix, um die Abhängigkeit von der Atomenergie zu vermindern
  • Umweltfreundliches Steuersystem, um eine Wirtschaft mit niedrigem CO2-Ausstoß zu erreichen

 

 

Marine Le Pen / Emmanuel Macron: Wahlsystem / Parlament und Senat

Beide Kandidaten möchten erneuerbare Energien und die energetische Sanierung von Gebäuden fördern.

Marine Le Pen

  • Einführung eines proportionellen Systems bei allen Wahlen
  • Bei den Wahlen zur Assemblée Nationale soll die Partei, die die meisten Stimmen erhält, einen Bonus von 30% der vergebenen Sitze erhalten, Parteien, die weniger als 5% der Stimmen erhalten, sollen keine Sitze bekommen
  • Die Zahl der Abgeordneten in der Assemblée Nati-onale soll von 577 auf 300 reduziert werden, die Zahl der Mitglieder des Senats von 348 auf 200

Emmanuel Macron

  • Zahl der Mitglieder der Assemblée Nationale und des Senats soll um ca. ein Drittel reduziert werden

 

 

Kurzanalysen und -portraits zu den Präsidentschaftswahlen 2017

6. Februar 2017

6. Februar 2017: Kurzportraits der Kandidaten François Fillon, Benoît Hamon, Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon

François Fillon (*1954), Kandidat der Republikaner (LR), hat ein Studium des öffentlichen Rechts abgeschlossen. Mit 27 Jahren wird er als Abgeordneter des Départements Sarthe in die Nationalversammlung gewählt. Zwischen 1993 und 2004 hat er verschiedene Ministerämter inne und ist von 1998–2002 Präsident der Region Pays de la Loire. Während der Amtszeit des Präsidenten Sarkozy leitet er fünf Jahre lang als Premierminister die Regierungsgeschäfte. 2012 kandidiert er erfolglos für den Parteivorsitz der UMP, in der laufenden Legislaturperiode vertritt er als Abgeordneter einen Pariser Wahlkreis.
Die Vorwahlen der Republikaner gewinnt er zur Überraschung vieler mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm, dessen Umsetzung den Arbeitnehmern einiges abverlangen würde. So fordert er z.B. die 35-Stunden-Woche abzuschaffen, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre zu erhöhen und das Arbeitsrecht zu lockern. Die Arbeitszeit der Beamten soll ohne vollen Lohnausgleich auf 39 Stunden pro Woche erhöht werden; 500.000 Stellen im öffentlichen Bereich sollen gestrichen werden. Die Laufzeit von Atomkraftwerken soll unter seiner Präsidentschaft auf 60 Jahre verlängert werden, ein Ausstieg aus der Kernkraft ist für ihn keine Option.
Nachdem u.a. bekannt geworden ist, dass Fillon seine Frau als vermutlich fiktive Assistentin auf Parlamentskosten beschäftigt hat, steht er unter großem Druck und ist in den meisten Umfragen auf den dritten Platz zurückgefallen.

Benoît Hamon (*1967), Kandidat der Parti socialiste (PS), hat Geschichte studiert und sich schon als Student politisch für die PS engagiert. 1993 wird er Präsident ihrer Jugendorganisation, an diese Tätigkeit schließen sich verschiedene Parteiämter und Mandate an. Von 2004-2009 ist er Europaabgeordneter, von 2008-2012 Sprecher der sozialistischen Partei. Im Kabinett Ayrault ist er zunächst für Sozialwirtschaft zuständig, von April bis August 2014 fungiert er als Bildungsminister im Kabinett Valls. Er verliert seinen Kabinettsposten, nachdem er sich öffentlicher Kritik am Kurs des Präsidenten angeschlossen hat.
Innerhalb seiner Partei vertritt er den linken Flügel, was sich in seinem Programm, mit dem er die Vorwahlen des linken politischen Spektrums gewonnen hat, manifestiert. In Anbetracht des technischen Fortschritts möchte er Arbeitszeiten keinesfalls verlängern sondern sie eher weiter verkürzen, außerdem soll unter seiner Regierung langfristig ein Grundeinkommen eingeführt werden, das allen Franzosen als Grundsicherung ausbezahlt wird.

Marine Le Pen (*1968), Kandidatin des Front National, war von 1992-1998 als Anwältin tätig und hat von 1998-2003 die juristische Abteilung ihrer Partei geleitet. Seit 2004 ist sie Mitglied des Europarlamentes, seit 2011 Präsidentin des Front National, als dessen Kandidatin sie bei den Präsidentschaftswahlen 2012 im ersten Wahlgang 17.9% der Stimmen erreicht hat.
Anders als ihr Vater hält sie sich mit rassistischen und antireligiösen Parolen weitgehend zurück. Sie versucht sich als „nationales“ Bollwerk gegenüber fremden „Gefahren“ (Einwanderung, Globalisierung, Kriminalität, Euro) zu profilieren. Im Falle eines Wahlsiegs will sie ein Referendum abhalten, in dem über Frankreichs Ausstritt aus dem Euro und der Europäischen Union entschieden werden soll. Die meisten Umfragen sagen ihr einen Sieg im ersten Wahlgang voraus, im zweiten Wahlgang werden ihr allerdings kaum Chancen eingeräumt, zu gewinnen.

Emmanuel Macron (*1977), Kandidat der Bewegung En Marche (EM), ist Absolvent der Hochschule für Politikwissenschaft Paris und der Elitehochschule für Verwaltung (ENA) Strasbourg. Von 2004–2008 war er in der staatlichen Finanzkontrolle tätig; von 2008-2012 arbeitete er als Investmentbanker. François Hollande berief ihn nach seiner Wahl in den Präsidialstab als Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik, von 2014-2016 bekleidete Macron das Amt des Wirtschaftsministers in der Regierung Valls. Seit seinem freiwilligen Rückzug aus der Regierung im August 2016 profiliert er sich als unabhängiger Politiker, der das klassische Links-Rechts-Schema für überholt hält.
Ähnlich wie François Fillon möchte er die Unternehmen stärker entlasten und das Arbeitsrecht weiter flexibilisieren. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten will Macron die europäische Integration Frankreichs weiter vorantreiben, da Frankreich allein die globalen Herausforderungen nicht meistern könne. Getragen von einer Welle der Euphorie könnte es ihm gelingen, in den zweiten Wahlgang einzuziehen.

Jean-Luc Mélenchon (*1951), Kandidat der Bewegung La France insoumise (FI), hat Philosophie studiert und in den 70er-Jahren als Lehrer und Journalist gearbeitet. Zwischen 1986–2010 vertritt er für die PS das Departement Essonne 19 Jahre lang im Senat, von März 2000 bis Mai 2002 ist er Minister für Berufsbildung in der Regierung Jospin. Im November 2008 verlässt er die PS, weil sie seiner Ansicht nach traditionell linke Positionen nicht mehr vertritt, und gründet die Linkspartei (Parti de Gauche), die sich an der deutschen Partei „die Linke“ orientiert. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 erreicht er als Kandidat einer „Linksfront“ (Front de Gauche), der auch die Kommunistische Partei angehört, im ersten Wahlgang 11.1% der Stimmen.
Mélenchon zieht PS-Wähler an, die sich von der Partei wegen der wirtschaftsfreundlichen Politik François Hollandes abgewandt haben, und Wähler, die früher mit den Ideen der Kommunistischen Partei oder trotzkistischer und linkssozialisti-scher Gruppierungen sympathisiert haben. Im Falle eines Wahlsiegs will er eine Neuregelung der EU-Verträge und eine Aufgabe der Austeritätspolitik durchsetzen. Falls dies scheitert, soll Frankreich die EU verlassen. In aktuellen Umfragen liegt er bei 10% der Stimmen, was seine Beteiligung am 2. Wahlgang unwahrscheinlich erscheinen lässt.

14. Februar 2017

14. Februar 2017: Emmanuel Macron und seine Bewegung « En Marche »

Emmanuel Macron (*1977), Kandidat der Bewegung En Marche (EM), ist Absolvent der Hochschule für Politik­wissen­schaft Paris und der Elitehochschule für Verwaltung (ENA) Strasbourg. Von 2004–2008 war er in der staat­lichen Fi­nanzkontrolle tätig; von 2008-2012 arbeitete er als Investmentbanker. François Hollande berief ihn nach seiner Wahl als Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Präsidialstab, von 2014-2016 bekleidete Macron das Amt des Wirt­schaftsministers in der Regierung Valls. Im August 2016 legt er sein Regierungsamt nieder und erklärt im November 2016 seine unabhängige Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2017.

Seine Ideen: Emmanuel Macron hält die traditionelle rechts-links Aufteilung des politischen Lagers für nicht mehr zeitgemäß, seiner Ansicht nach müssen alle progressiven und pragmatischen Kräfte Frankreichs gemein­sam Re­formen anstoßen, um die „Blockade des Landes“ aufzulösen.
Macron betont stets seine pro-europäische Haltung und sieht Deutschland als unentbehrlichen Verbündeten an. Frankreich brauche die europäischen Partner und offene Grenzen zu ihnen, um die globa­len Herausforderungen zu meistern. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist für ihn, auch im Hinblick auf die Solidari­tät zwischen Mitglieds­staaten der EU, eine moralische Verpflichtung. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sollen die Unternehmen entlastet und das Arbeits­recht weiter flexibilisiert werden. Unter seiner Präsidentschaft soll die Schulbildung oberste Priorität erhalten, um alle Kinder angemessen auf ihre Zukunft vorbereiten zu können.
Am 22. Februar wird Macron erklären, was seine Vorhaben nach seinen Berechnungen kosten werden und wie er sich ihre Finanzierung vorstellt, die Präsentation seines kompletten Programms soll am 2. März folgen.

Seine Bewegung: Emmanuel Macron gründet die Bewegung „En Marche!“ (EM), auf Deutsch „Vorwärts!“ oder „In Bewegung“, am 06. April 2016. Ihr Name ent­spricht den Initialen Macrons und verweist auf die Marseillaise („marchons, marchons“). Sie organisiert mit inzwischen 55 Mitarbeitern und tausenden freiwilligen Helfern sei­nen Wahlkampf und hat mittlerweile 177.000 registrierte Mitglieder, die keinen Pflichtbeitrag leisten müssen. Die Be­wegung finanziert sich ausschließlich aus Spenden, erhält keine öf­fentliche Unterstützung und kommuni­ziert vor allem über die sozialen Netzwerke. Zahlreiche, nicht nur junge Leute posten Fotos von sich zu den Hashtags #EnMarche oder #LaFranceEnMarche. Ihre lokalen Kommittees organisieren frankreichweit 600 Ver­anstaltungen pro Woche.
Ihr Generalsekretär ist Richard Ferrand, derzeit PS-Abgeordneter des Finistère in der Assemblée Natio­nale, ihre Sprecherin ist die langjährige USA-Korrespondentin Laurence Haïm. Jüngster medialer Coup war die Ver­pflichtung des Wirtschaftswissenschaftlers Jean Pisani-Ferry als Programm­verantwortlichen. Pisani-Ferry hat bis vor kurzem das regierungsnahe Institut France Stratégie geleitet, das Grundlinien für die künftige Ausrichtung Frankreichs ausarbeitet.
Im Einklang mit seiner Ablehnung des Lagerdenkens ist es Emmanuel Macron gelungen, prominente Fürsprecher unterschiedlicher sozialer und politischer Herkunft für sein Projekt zu gewinnen. Selbst Daniel Cohn-Bendit, Leit­figur der 68er-Bewegung und der französischen Grünen, erklärte in einem Interview, evtl. Macron zu wählen.
Bei den Parlamentswahlen im Juni wird EM 577 Kandidaten aufstellen, damit sich ein Präsident Macron auf eine eigene Parlamentsmehrheit stützen kann. Die Kandidatenliste soll die Diversität der französischen Gesellschaft widerspiegeln und streng paritätisch besetzt sein, die Mitgliedschaft in einer anderen Partei ist kein Ausschluss­kri­terium. Alle Mitglieder der Bewegung können sich als Kandidaten online bewerben.

Seine Wähler: Seine Kampagne zielt vor allem auf die jungen Nichtwähler, von denen 73% bei den letzten Parla­mentswahlen unter 35 waren. Laut einer Studie setzt sich seine Wählerschaft homogen aus allen Altersgruppen zusammen und verfügt über ein relativ hohes Bildungsniveau, die Gutverdienenden sind hier nicht überproportio­nal vertreten.
Gründe für seinen Erfolg: Macron wirkt mit seinen 39 Jahren jung und dynamisch und wird als Vertreter der „Generation Erasmus“ angesehen. Von seinen Konkurrenten hebt er sich durch seine positive und optimistische Art ab. Seine Person steht im Vordergrund der Kampagne, er überzeugt durch die im theatralen Sinne starke Performance seines Diskurses und verwendet eine einfache Sprache, mit der er eine desillusionierte Bevölkerung überzeugt. Er macht den Menschen Mut und verspricht ihnen eine verheißungsvolle Zukunft nach den Reformen. Aus diesen Gründen und wegen seines noch vagen Programms wird ihm in den Me­dien auch vorgeworfen, ein „schicker“ oder „zentristischextremer“ Populist zu sein.

20. Februar 2017

20. Februar 2017: Marine Le Pen und der Front National

Marine Le Pen (*1968) war von 1992-1998 als Anwältin tätig und hat von 1998-2003 die juristische Abteilung ihrer Partei geleitet. Seit 2004 ist sie Mitglied des Europarlamentes, seit 2011 Präsidentin des Front National, als dessen Kandidatin sie bei den Präsidentschaftswahlen 2012 im ersten Wahlgang 17.9% der Stimmen erreicht hat.

Ihr Programm: „Ein freies Frankreich“ steht als patriotisches Ideal über den 144 Maßnahmen, die Marine Le Pen im Falle ihres Wahlsiegs umsetzen möchte. Dieses Ideal wurde aus Sicht Le Pens durch die Abgabe von Entschei­dungsbefugnissen an internationale Organisationen wie der NATO oder der Europäischen Union (EU) aufgegeben. Sie möchte deshalb ein Referendum über die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU abhalten, es aus der Komman­do­struktur der NATO lösen und zu einer nationalen Währung zurückkehren. Letztere soll als Instrument zur Wie­der­belebung der eigenen Wirtschaft dienen. Dazu sollen auch Steuern auf Importe und die Beschäftigung von auslän­dischen Arbeitnehmern erhoben, öffentliche Aufträge vorzugsweise an französische Unterneh­men verge­ben und ein Plan zur Reindustrialisierung aufgelegt werden.

Für ein „sicheres Frankreich“ soll der Polizeiapparat massiv aufgerüstet und die Zahl der Gefängnisplätze von knapp 60.000 auf fast 100.000 erhöht werden. Um einer unkontrollierten Einwanderung und Überfremdung ent­gegenzuwirken, soll das Recht auf Asyl massiv eingeschränkt und das Anrecht auf die französische Staatsbür­ger­schaft für alle im Land Geborenen abgeschafft werden. Doppelte Staatsbürgerschaften sollen nicht mehr akzep­tiert werden.
Auch eigentlich ideologiefreie Vorschläge wie die Förderung erneuerbarer Energien oder nachhaltiger Landwirt­schaft erhalten in Le Pens Programm als Schritte hin zu einer nationalen Unabhängigkeit ein patriotisches Etikett. Die langjährig vertretene Forderung nach der Wiedereinführung der Todesstrafe findet sich hier allerdings nicht mehr, sie wurde in die Absicht, eine tatsächlich lebenslange Freiheitsstrafe einzuführen, umgewandelt.

Der Front National (FN) wurde 1971 von Jean-Marie Le Pen, dem Vater Marine Le Pens, als rechtspopulistische Partei gegründet. Jean-Marie Le Pen leitete den FN fast 40 Jahre lang und sorgte mit provokanten Äußerungen z.B. gegen Ausländer immer wieder für öffentliches Aufsehen. 2011 inthronisiert er seine Tochter Marine als seine Nachfolgerin und sichert so die Dominanz seiner Familie über die Partei. Marine Le Pen stößt die sogenannte „Dédiabolisation“ des Front National an, um ihn für eine größere Wählerschaft attraktiv zu machen, und professi­onalisiert seine Strukturen. Sie lässt Mitglieder, die durch rechtsradikale Parolen auffallen, ausschließen und drängt auch ihren Vater, nachdem er den Holocaust wiederholt verharmlost hat, aus der Partei.

Der FN ist eine multiple Bewegung, die in den letzten Jahren neben nationalistischen auch traditionell linke For­de­rungen in ihr Programm aufgenommen hat. Diese neue Ausrichtung geht vor allem auf den Einfluß Florian Philip­pots, Vize-Präsident der Partei seit 2012, zurück. Philippot ist bekennender Gaullist und versucht die Partei für Wähler aus einem traditionell linken politischen Milieu zu öffnen. In den letzten Monaten kam es deswegen ver­mehrt zu Spannungen zwischen Anhängern dieses Kurses und Vertretern einer nationalkonservativen und streng katholischen Linie, die fordern, dass sich der FN gegen Abtreibung und Gleichberechtigung eingetragener homo­sexueller Part­nerschaften mit der Ehe ausspricht. Ihre prominenteste Vertreterin ist Marion Maréchal-Le Pen, Nichte Marine Le Pens und Mitglied der Assemblée Nationale.

Unter Marine Le Pen konnte die Zahl der Mitglieder des FN auf heute 83.000 vervierfacht werden, bei den Europa- und Regionalwahlen 2014 bzw. 2015 erhielt die Partei zwischen 6 und 7 Mill. Stimmen. Neben der Grundfinanzie­rung durch Staat und Mitglieder erhält der FN Mittel aus der Mikropartei „Jeanne“, die zur Akquise von größeren Spenden gegründet wurde. Da französische Banken dem FN keine Kredite gewähren wollen, unterstützt Jean-Marie Le Pen den Wahlkampf seiner Tochter mit 6 Mill. €. Dennoch benötigt sie weitere finanzielle Unter­stützung, fraglich ist, ob der FN dafür ein weiteres Mal auf Darlehen russischer Banken zurückgreifen wird.

Ihre Wähler: Marine Le Pen wird vor allem im Norden, Nord- und Südosten Frankreichs gewählt, Regionen, die im nationalen Vergleich stark vom Strukturwandel betroffen sind. Laut einer aktuellen Umfrage kann sie mit knapp 40% der Stimmen aus dem Arbeiter- und Angestelltenmilieu rechnen; von den Rentnern möchten lediglich 17% für sie stimmen. Ca. 65% ihrer Wähler haben keinen Hochschulabschluss, nur ca. 12% von ihnen haben ein län­geres Studium abgeschlossen.

Gründe für ihren Erfolg: Viele Franzosen haben den Glauben, dass die als wirklichkeitsfern empfundenen Eliten zu ihren Gunsten etwas ändern, verloren und empfinden angesichts von Globalisierung, Zuwanderung und Arbeits-losigkeit Abstiegsängste. Deshalb sind sie empfänglich für die Parolen von Marine Le Pen, die Feindbilder benennt und einfache Lösungen anbietet.

27. Februar 2017

27. Februar 2017: Positionen zu Deutschland von François Fillon, Benoît Hamon, Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon

François Fillon (*1954), Kandidat der Republikaner (LR), bezeichnet funktionierende deutsch-französische Beziehungen als Grundvoraussetzung für Weiterentwicklungen auf europäischer Ebene. Deutschland würde Frankreich aber derzeit nicht als ebenbürtigen Partner ansehen. Um wieder auf Augenhöhe mit dem Partner zu gelangen, und somit zu eigenen Forderungen berechtigt zu sein, müsse die künftige französische Regierung deshalb tiefgreifende Reformen zur Belebung der Wirtschaft einleiten. Zur Wahrung gemeinsamer Interessen wünscht sich Fillon ein stärkeres militärisches Engagement Deutschlands im Ausland; Flüchtlinge aufzunehmen um den Nachbarn zu entlasten, lehnt er ab.
Fillon möchte die deutsche Regierung dazu bewegen, die bestehenden Sanktionen gegen Russland zu lockern und die Gespräche mit der Regierung Putin wieder aufzunehmen. Falls dies nicht geschehe fürchtet er, dass Russland und die USA ohne Einbeziehung der Europäer eine Lösung im Ukrainekonflikt aushandeln.Benoît Hamon (*1967), Kandidat der Parti socialiste (PS), hält sich mit Äußerungen zu Deutschland zurück. In Interviews weist er aber immer wieder darauf hin, dass es dort zwar gelungen sei, die Arbeitslosigkeit zu senken, gleichzeitig aber die Zahl derjenigen, die von Armut bedroht oder betroffen sind, signifikant angestiegen ist. Wirtschaftsfreundliche Reformen, die sich an deutschen Vorbildern orientieren, seien deshalb nicht im Sinne der Arbeitnehmer und kein geeignetes Mittel, die Situation Frankreichs zu verbessern.
Hamon möchte auf EU-Ebene darauf dringen, die Frage nach einer Vergemeinschaftung der nationalen Schulden neu zu diskutieren und dabei auch „Umweltschulden“ einzubeziehen. Gleichzeitig möchte er ein europäisches Investitionsprogramm in Höhe von 1.000 Mrd. € anregen, für das die EU selbst Kredite aufnehmen müsste. Dem Hinweis, dass diese Vorschläge von der aktuellen deutschen Regierung kaum akzeptiert würden, begegnet Hamon mit der Aussage, dass sie ihre Position schon bald in seinem Sinne ändern werde.

    Marine Le Pen (*1968), Kandidatin des Front National, hat das Feindbild des „deutschen Europas“, das auch ihr Konkurrent Mélenchon verwendet, übernommen und wirft den rechten und linken Regierungen der vergangenen Jahre vor, die Interessen Frankreichs in Europa nicht energisch genug vertreten zu haben. So habe Deutschland durch seinen Einfluss in der EU Frankreich eine falsche, neoliberale Wirtschaftspolitik aufzwingen können, die für das Land ruinöse Folgen habe.
    Da Deutschland die militärische Zusammenarbeit in der NATO, eine weitergehende europäische Integration und offene Grenzen befürwortet, verfolgt das Nachbarland in den Augen Le Pens einen Weg, den sie für Frankreich ablehnt. Den ihrer Ansicht nach ungeregelten Zuzug von Flüchtlingen fördere die deutsche Regierung, weil sie wegen der niedrigen deutschen Geburtenrate billige Arbeitskräfte für ihre Wirtschaft benötige.

    Emmanuel Macron (*1977), Kandidat der Bewegung En Marche (EM), vergleicht das Beharren der deutschen Regierung auf starren Haushaltsvorgaben mit dem Gebaren eines Buchhalters. In einer Gemeinschaft wie der EU sei aber nicht die Einhaltung von Regeln das höchste Gebot, sondern die Solidarität untereinander. Deshalb müssten starke Staaten wie Deutschland wirtschaftlich schwächere EU-Staaten unterstützen; angesichts der niedrigen Zinsen sollte Deutschland außerdem seine Sparpolitik lockern und vor allem europäische Investitionen fördern. Frankreich müsse seinerseits den Widerstand gegen die Abgabe von manchen Souveränitätsrechten an die EU-Ebene aufgeben.
    Wie François Fillon spricht sich Macron für die Fortsetzung einer intensiven deutsch-französischen Zusammenarbeit aus; die Aufnahme von Flüchtlingen lobt er und bezeichnet sie als moralische Verpflichtung.

    Jean-Luc Mélenchon (*1951), Kandidat der Bewegung La France insoumise (FI), hat seine vehemente Ableh-nung deutscher Politik in den vergangenen Jahren zu einem Markenzeichen aufgebaut und verwendet dabei Klischees eines machthungrigen Deutschlands, die man in Frankreich lange nicht mehr von einem etablierten Politiker gehört hat.
    Er wirft der deutschen Regierung vor, ihren von Sparzwängen begleiteten Ordoliberalismus mit Hilfe der EU allen europäischen Partnern aufzwingen zu wollen. In seinem 2015 erschienen Pamphlet „Der Bismarckhering – das deutsche Gift“ erläutert er, dass das sogenannte „deutsche Modell“ nur den Unternehmern nutze und zur Ver-armung großer Teile der deutschen Bevölkerung führe. Besondere Feindbilder sind für ihn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble. Wiederholt hat er sich Äußerungen deutscher Politiker zur französischen Innen- und Wirtschaftspolitik in teilweise rüdem Ton verbeten.

    2. März 2017

    2. März 2017: Schwerpunkte des Programms von Emmanuel Macron

    Emmanuel Macron (*1977), Kandidat der Bewegung En Marche (EM), hat am 22. Februar erklärt, in welchen Bereichen er Ausgaben reduzieren und in welchen Bereichen er investieren möchte, am 2. März 2017 hat er sein langerwartetes Programm vorgelegt.

    Staatsfinanzen: Macron möchte an der Vorgabe, dass das Haushaltsdefizit 3% des BIP nicht überschreiten soll, festhalten; seine Wachstumsziele sind mit 1,4% für 2017 und 1,8% für 2022 eher vorsichtig. Die öffentlichen Ausgaben sollen auf den Durchschnitt der Euro-Zone gesenkt werden, also um 3% des BIP bzw. um 60 Mrd. €.

    Diese Einsparungen sollen in folgenden Bereichen erfolgen:

    • 15 Mrd. € im Gesundheitswesen durch Reorganisation des Versorgungsbereichs, Stellen in Hospitälern sollen aber nicht gestrichen werden.
    • 10 Mrd. € an Arbeitslosenunterstützung durch die Reduzierung der Arbeitslosenquote auf 7%
    • Die Gebietskörperschaften sollen ihre Ausgaben um 10 Mrd. € senken, dürfen aber selbst bestimmen, wie sie diese Mittel einsparen.
    • 25 Mrd. € bei den Staatsausgaben durch nicht näher bezeichnete Maßnahmen

    Bei den Gebietskörperschaften sollen 70.000 Beamtenstellen wegfallen, auf Staatsebene 50.000, ein Karenztag für Beamte soll eingeführt werden. Die Minister der Regierung, die auf 15 Ressorts beschränkt werden soll, erhalten strikte Sparauflagen, aber auch die nötige Handlungsfreiheit, sie umzusetzen.

    Parallel zu diesen Sparmaßnahmen möchte Macron einen Investitionsplan über 50 Mrd. € auflegen.

    •  15 Mrd. € sollen für Aus- und Weiterbildung v.a. von Jugendlichen und Arbeitslosen eingesetzt werden.
    •  15 Mrd. € für den ökologischen und energetischen Wandel. Mit diesem Geld soll auch der Strukturwan­del in Regionen, in denen z.B. AKWs  stillgelegt werden, unterstützt werden.
    •  20 Mrd. € für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, die Landwirtschaft, das Gesundheitswe­sens und das Verkehrswesen

    Die Unternehmenssteuern sollen von 33,3% auf 25%, den europäischen Mittelwert, gesenkt werden. Ca. 80% der französischen Haushalte soll die Wohnsteuer erlassen werden, die Kommunen sollen für den Einnahmeausfall – ca. 10 Mrd. € jährlich – aus dem Staatshaushalt entschädigt werden. Die Vermögenssteuer soll vereinfacht werden; Anlagen, die der Finanzierung von wirtschaftlicher Aktivität dienen, sollen nicht besteuert werden.

    Europa: Wegen der Sparpolitik besteht nach Ansicht Macrons europaweit ein Defizit an privaten und öffentlichen Investitionen. Um diese innerhalb der Euro-Zone anstoßen zu können, fordert er für sie ein Budget, das sich aus eigenen Quellen speisen und mehrere 100 Mrd. € betragen soll. Dieses Budget soll von einem Parlament der Euro-Zone legitimiert und kontrolliert und von einem Minister für Wirtschaft und Finanzen der Euro-Zone gesteuert werden. Mit seiner Hilfe könne man auch besser gemeinsam auf Krisen reagieren, dieser Schritt zu mehr Integration versöhne Verantwortung und Solidarität.
    Macron geht davon aus, dass die künftige deutsche Regierung erkennen werde, dass das eigene Modell der Haushalskonsolidierung langfristig nicht funktionieren könne. Die künftige französische müsse ihrerseits in ihren ersten sechs Monaten Deutschland durch Strukturreformen davon überzeugen, dass es das Vertrauen für eine weitergehende fiskalpolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit verdiene.

    Renten: Bis 2022 soll der Renteneintritt mit 62 Jahren oder nach 42 Jahren Beitragszahlungen auf jeden Fall möglich sein. Emmanuel Macron möchte gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit den Sozialpartnern über die Einrichtung eines universellen Rentensystems verhandeln, das die 37 speziellen Rentensysteme ersetzt und das sowohl für Beamte als auch für Angestellte gelten soll.
    Die Arbeitslosenversicherung soll verstaatlicht und in eine universelle Arbeitslosenversicherung umgewandelt werden. Künftig sollen auch Arbeitnehmer, die selbst kündigen, Unterstützung bekommen, genauso wie Selbstständige, Handwerker, Händler, Bauern und andere Unternehmer.

    Die Maßnahmen im Schulsystem sollen sich auf die ersten drei Grundschuljahre konzentrieren, da die Grundkenntnisse, die an den weiterführenden Schulen vorausgesetzt werden, hier vermittelt werden und 20% der Schüler der fünften Klassen nicht ausreichend gut lesen, schreiben und rechnen können. Grundschulen sollen künftig selbst über die Methoden entscheiden, mit denen sie diese Kenntnisse vermitteln und das dafür geeignete Personal auswählen dürfen. In Problemvierteln sollen die Klassen in den ersten drei Grundschuljahren auf 12 Schüler verkleinert werden, ihre Lehrer sollen mindestens drei Jahren Berufserfahrung haben. Lehrkräfte die dort unterrichten, sollen ein deutlich höheres Gehalt bekommen.

    14. März 2017

    14. März 2017: Maßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen und zur Belebung der Wirtschaft im Programm von François Fillon

    François Fillon (*1954) wurde am 6. März vom Führungsgremium der Republikaner (LR) als Kandidat der Partei bestätigt. Am 13. März hat er nun sein „Projekt für Frankreich“ vorgestellt, in dem er die Reformen erläutert, mit denen er das Land wieder aufrichten möchte. Grundsätzliches Ziel ist, Vollbeschäftigung wieder zu erreichen und Frankreich binnen zehn Jahren zur stärksten Macht Europas aufzubauen.

    Staatsfinanzen: Fillon geht für 2017 von einem Haushaltsdefizit von 3,7% des BIP aus, 2018 von 3,8% des BIP. 2019 soll das Defizit unter 3% liegen und in den folgenden Jahren weiter sinken, 2022 möchte er einen ausgegli­chenen Haushalt vorlegen. Die Staatsausgaben sollen zwischen 2017 und 2022 von 56,1% des BIP auf 49,9% des BIP reduziert werden, insgesamt sollen in den kommenden fünf Jahren 100 Mrd. € eingespart werden.

    Um dieses Ziel zu erreichen sollen

    •  Staatsmittel gezielter und effizienter ausgegeben werden,
    •  die Zahl der Beamten von 5,5 Mill. auf 5 Mill. reduziert werden. Der Personalverlust soll durch eine Erhö­hung der wöchentlichen     Arbeitszeit von 35 auf 39 Stunden ausgeglichen werden.

    Zusätzliche Einnahmen sollen durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20% auf 22% erzielt werden, die er­mäßigten Steuersätze für bestimmte Produkte und Dienstleistungen sollen nicht angehoben werden, da sie im europäischen Vergleich schon relativ hoch sind.

    Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit:

    Haushalte sollen um 10 Mrd. € entlastet werden:

    • 350 € weniger Sozialabgaben jährlich für jeden Arbeitnehmer, der Einnahmeausfall in Höhe von 7,7 Mrd. € soll mit öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden
    • Familienbeihilfen unabhängig vom Haushaltseinkommen
    • Anhebung der Obergrenze für Familiensplitting auf 3.000 € monatlich
    • Abschaffung der Vermögenssteuer
    • Einheitssteuer für Kapitaleinkommen in Höhe von 30%

    Sozialabgaben und Steuern für Unternehmen sollen um 35 Mrd. gesenkt werden:

    • Die Lohnnebenkosten binnen fünf Jahren um 25 Mrd. €
    • Die Unternehmenssteuern binnen fünf Jahren um 10 Mrd. € (von 33,3% auf 25%)

    Um die Unternehmen zusätzlich zu motivieren, Personal einzustellen, soll das Arbeitsrecht vereinfacht werden und sich künftig auf grundsätzliche Normen beschränken. Unternehmern und Angestellten eines Unternehmens sollen größere Möglichkeiten gegeben werden, betriebsinterne Vereinbarungen auszuhandeln. Außerdem soll die 35-Stunden-Woche abgeschafft, Kündigun­gen von Mitarbeitern aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten er­leichtert und eine maximale Ab­findung im Falle einer Kündigung festgelegt werden. Bis 2022 soll die Arbeitslosen­quote so auf 7% sinken.

    Eingliederung von Erwerbslosen: Arbeitslose sollen durch eine bevorzugte Behandlung bei der Vergabe von Sozialwohnungen ermutigt werden, Arbeitsangebote fern von ihrem Wohnort anzunehmen. Die Unterstützungs­leistungen für Arbeitslose sollen bei längerer Bezugsdauer stufenweise sinken, Arbeitslose müssen grundsätzlich erklären, warum sie ein erstes Stel­lenange­bot ablehnen, die Ablehnung eines zweiten Stellenangebots soll sank­tioniert werden.

    Ausbildung: Um die Jugendarbeitslosigkeit und die Zahl der Studienabbrecher zu verringern, sollen Schüler und Eltern besser über berufliche Möglichkeiten informiert werden. Neue Ausbildungsgänge, die die Unter­neh­men als Vermittler von Kenntnissen stärker einbeziehen, sollen aufgebaut werden. Die dafür nötigen Mittel sollen durch die Streichung von Sub­ventionen für Beschäftigungsver­hältnisse junger Arbeitnehmer gewonnen werden.
    Förderung von Jungunternehmern: Innerhalb von Hochschulen soll die Gründung von „Studenten-Unterneh­men“ möglich sein. Privatleute sollen bis zu 1 Mill. € jährlich in kleine oder mittlere Unternehmen investieren und dieses Geld zu 30% von der Steuer absetzen dürfen. 50 Mrd. €, ca. 3% der Einlagen von Lebensversicherungen, sollen zur Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen eingesetzt werden.
    Renten: Das Renteneintrittsalter soll bis 2022 oder bald danach progressiv auf 65 Jahre angehoben werden, um die Finanzierung des Rentensystems dauerhaft zu sichern und Renten unter 1.000 € monatlich um mindestens 300 € jährlich anheben zu können. In der Verfassung soll die Gleichheit aller Rentensysteme festgeschrieben werden, dadurch sollen die 37 speziellen Rentensysteme abgeschafft werden.
    Regierung: Die Regierung soll aus 15 Ministern bestehen, für die Fillon einen Verhaltenscodex festlegen wird. Dieser enthält strenge Regeln für ein solidarisches Verhalten gegenüber der Regierung sowie Vorgaben zur Ver­hinderung von Interessenkonflikten und für die Verwendung öffentlicher Mittel.

    Regierung: Die Regierung soll aus 15 Ministern bestehen, für die Fillon einen Verhaltenscodex festlegen wird. Dieser enthält strenge Regeln für ein solidarisches Verhalten gegenüber der Regierung sowie Vorgaben zur Ver­hinderung von Interessenkonflikten und für die Verwendung öffentlicher Mittel.

    22. März 2017

    22. März 2017: Positionen zu Europa von Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon

    Laut aktueller Umfragen wollen am 23. April 2017 11-14% der Wähler für Benoît Hamon (*1967), Kandidat der Parti socialiste (PS), stimmen und 11–12% für Jean-Luc Mélenchon (*1951), Kandidat der Bewegung La France insoumise (FI). Damit würden Hamon und Mélenchon vermutlich auf den vierten bzw. fünften Platz kommen und im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen ausscheiden, zusammengerechnet könnte ihr Ergebnis jedoch für den zweiten Platz reichen. Da sich ihre Programme in vielen Punkten ähneln, haben Anhänger beider Kandida­ten den Wunsch geäußert, dass einer von beiden auf seine Kandidatur verzichten und den anderen unterstützen solle, um so zu ermöglichen, dass im zweiten Wahlgang ein Kandidat des linken Spektrums vertreten ist.
    Ende Februar haben dennoch beide erklärt, dass ihre Positionen, insbesondere zur Europapolitik, unvereinbar sind und sie deshalb ihren Wahlkampf unabhängig voneinander fortsetzen werden.

    Mitgliedschaft in der Europäischen Union: Für Mélenchon ist ein französischer Austritt aus der EU kein Tabu, für Hamon hingegen schon.
    Letzterer möchte bei seiner Wahl den europäischen Partnern Vorschläge unterbreiten, auf deren Basis Änderun­gen in den Verträgen ausgehandelt werden sollen. Er spricht sich für eine weitergehende europäische Integration durch Angleichung der Steuersätze innerhalb der Gemeinschaft und einen einheitlichen Mindestlohn, der 60% eines natio­nalen Durchschnittseinkommens entsprechen soll, aus. Sozialdumping innerhalb der EU, das durch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer möglich geworden sei, soll künftig unterbunden werden. Um die Konjunktur in den Mitgliedsländern zu beleben, soll ein europäisches Investitionspro­gramm in Höhe von 1.000 Mrd. € aufgelegt werden, mit dem vor allem Projekte zur nachhalti­gen Entwicklung finanziert werden sollen. Für dieses Programm soll die EU die Möglichkeit erhalten, selbst Schul­den aufzunehmen.
    Mélenchon hat angekündigt, dass Frankreich sich den in den europäischen Verträgen eingegangenen Verpflich­tungen nicht mehr beugen werde, wenn er die Präsidentschaft übernehme. Er hofft, dass andere EU-Mitglieder, die unter der Austeritätspolitik leiden, dem Beispiel Frankreichs folgen und EU-Regeln, die sie in ihrer Entwicklung behindern, nicht mehr anwenden werden. Auf diese Weise könnten sie gemeinsam Druck auf die Union, insbeson­dere auf Deutschland, ausüben und durchsetzen, dass die EU als demokratische, soziale und ökologische Gemein­schaft neu gegründet werde. Die neuen Ver­träge sollten per Referendum bestätigt werden. Falls die anderen EU-Partner dieses Vorgehen und Neuverhandlungen ablehnen sollten, werde Frankreich einseitig die Verträge kündi­gen, die Zahlungen von 22 Mrd. € jährlich an die EU einstellen, die französische Zentralbank unter staatliche Aufsicht stellen und den Kapital- und Warenabfluss aus Frankreich kontrollieren.

    Euro-Gruppe und Europäische Zentralbank (EZB): Hamon fordert, dass die Euro-Gruppe durch ein Parlament aus Vertretern der Mitglieder der Euro-Länder ersetzt wird. Dadurch sollen die Entscheidungen zur Steuer- und Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone demokratisch kontrolliert und legitimiert und so transparent werden.
    Mélenchon verlangt, dass Status und Aufgaben der EZB neu geregelt werden sollen, sie ihre Unabhängigkeit ver­lieren und ihr verboten werden soll, Mitgliedsstaaten der Euro-Zone die Liquidität zu entziehen. Der Euro soll auf das Niveau des Dollars abgewertet werden, außerdem sollen der gemeinsame Markt und seine Regeln unter par­lamentarische Kontrolle gestellt werden.

    Umgang mit Schulden der EU-Länder: Hamon schlägt vor, dass EU-Mitglieder den EU-Ländern, die finanzielle Schwierigkeiten haben, die Schulden erlassen, die sie seit 2008 bei Ihnen gemacht haben. Die Gemeinschaft soll außerdem die Schulden der Länder, deren Schulden 60% ihres BIP überschreiten, übernehmen und die EU-Mitglieder sollen für ihre Schulden wechselseitig bürgen.
    Mélenchon will eine EU-Konferenz zum Umgang mit den nationalen Schulden der EU-Partner einberufen, deren Ergebnis Zahlungsaufschübe, die partielle Streichung von Schulden oder Umschuldungen sein können.

    Europäische Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung: Hamon spricht sich für eine intensivere sicher­heits- und verteidigungspolitische europäische Zusammenarbeit aus, die EU-Partner sollen sich an militärischen Missionen, die im Interesse der EU liegen, logistisch und finanziell stärker beteiligen.
    Mélenchon lehnt ein europäisches Verteidigungsbündnis grundsätzlich ab, da es im Widerspruch zur ursprüngli­chen europäischen Idee eines friedlichen Zusammenlebens stehe.

    Europäischer Fiskalpakt: Hamon hat erklärt, das Ziel eines Staatshaushalts, dessen Defizit unter 3% des BIP liegt, befolgen zu wollen, Verteidigungsausgaben sollen bei dessen Berechnung allerdings nicht berücksichtigt werden.Mélenchon will als Präsident den Stabilitätspakt aufkündigen und die im Vertrag von Maastricht festgelegte Ver­pflichtung, das staatliche Haushaltsdefizit unter 3% zu halten, nicht befolgen.

    Positionen zu Europa von Benoît Hamon und Jean-Luc Mélenchon

    30. März 2017

    30. März 2017: Vermögensverhältnisse der Kandidaten

    Am 18. März hat der französische Verfassungsrat die Namen der elf Bewerber für die Präsidentschaft bekannt gegeben, denen es gelungen ist, bis zu diesem Zeitpunkt 500 gewählte Vertreter zu finden, die ihre Kandidatur offiziell unterstützen, und die somit berechtigt sind, am ersten Wahlgang teilzunehmen.
    Erstmals müssen alle zugelassenen Teilnehmer ihre Vermögensverhältnisse, d.h. den aktuellen Wert ihrer Immo­bilien, ihre mobilen Werte (Bankguthaben, Lebensversicherungen, Autos, Kunstwerke u.ä.) sowie noch nicht be­glichene Schulden, offenlegen; laufende Einkünfte aus beruflicher oder Abgeordnetentätigkeit müssen nicht an­gegeben werden. Ihre Erklärungen wurden am 22. März auf der Website der Hohen Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben veröffentlicht, wobei diese Stelle nicht die Möglichkeit hat, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen.

    François Fillon (*1954), Kandidat der Republikaner (LR), ist alleiniger Besitzer des 15 ha umfassenden familiären Anwesens im Dé­partement Sarthe, das auf einen Wert von 750.000 € geschätzt wird, als weiteren Immobilien­be­sitz hat er Anteile an zwei Einfamilienhäusern im Wert von 175.000 € angegeben. Als mobiles Eigentum nennt er zwei Uhren im Wert von insgesamt 28.000 € und zwei Autos im Wert von insgesamt 8.000 €, Bankguthaben in Höhe von etwas über 120.000 € und für seine Beratungsgesellschaft 2F Conseil einen Wert von 98.000 €. Dem­gegenüber ste­hen Verbindlichkeiten in Höhe von 65.000 €, insgesamt beläuft sich sein Vermögen auf 1,14 Mill. €.

    Benoît Hamon (*1967), Kandidat der Parti socialiste (PS), hat 2016 mit seiner Lebensgefährtin eine 108 m2 große Wohnung im Département Hauts-de-Seine für 700.000 € erworben und 2006 für sich selbst ein 62 m2 großes Apparte­ment im Département Finistère mit einem Marktwert von 121.000 €. Als mobile Werte gibt er 2.000 € für einen Opel Corsa Baujahr 2006, 15.202 € auf verschiedenen Bankkonten und 61.067 € in einem Rentenfonds für Euro­paabgeordnete an. Die Restschulden aus zwei laufenden Immobilienkrediten belaufen sich auf 600.000 €, so dass sich ein aktuelles Vermögen von 300.000 € ergibt.

    Marine Le Pen (*1968), Kandidatin des Front National, hat Immobilienwerte in Höhe von 611.832 € angegeben. Dazu gehören Anteile an dem 633 m2 großen Familiensitz in Saint Cloud im Département Hauts-de-Seine, einem Haus in Rueil-Malmaison, ebenfalls im Département Hauts-de-Seine, einem Haus im mondänen Yachthafen Trinité-sur-Mer im Département Morbihan und einem Haus im Départements Pyrénées-Orientales. Im Vergleich zu frühe­ren Erklärungen zu ihren Vermögensverhältnissen hat Le Pen die Bewertung ihrer Immobilien leicht erhöht; Fi­nanzbehörden vermuten allerdings, dass die Angaben für ihrem Immobilienbesitz ca. 60% unter dem tatsächlichen Wert liegen. 18.854 € auf laufenden Konten sind die ein­zigen mobilen Werte, die sich in der Erklärung Marine Le Pens finden. Zur Finanzierung ihres Wahlkampfs hat sie sich persönlich 6 Mill. € bei Cotelec, der Mikropartei ihres Vaters, geliehen. Die Rückzahlung der noch ausstehenden 5,4 Mill. € aus diesem Darlehen ist für 2018 vorgese­hen, ver­mutlich wird sie dieses Geld aus öffentlichen Erstattungen für bei der Wahl gewonnene Stimmen zurück­zahlen können.

    Emmanuel Macron (*1977), Kandidat der Bewegung En Marche (EM), verfügt laut seiner Erklärung über keinen eigenen Immobilienbesitz. Seine mobilen Werte bestehen aus Geldanlagen und Sparguthaben in Höhe von 334.000 €, außerdem hat er im Januar 2017 274.000 € als Vorschuss auf die Einnahmen aus dem Verkauf seines Buches „Révolution“ erhalten. Auf der Sollseite steht ein Kredit über 246.000 € für die Renovierung eines Hauses, außerdem schuldet er der öffentlichen Hand 53.652 €, da er nach dem Studium an der Elitehochschule für Ver­waltung (ENA) Strasbourg die Tätigkeit im öffentlichen Dienst vor dem Ablauf einer Frist von zehn Jahren aufgege­ben hat. Insgesamt beläuft sich sein Vermögen auf 310.000 €.

    Jean-Luc Mélenchon (*1951), Kandidat der Bewegung La France insoumise (FI), ist alleiniger Eigentümer eines 110 m2 großen Appartements in Paris im Wert von 837.000 € und eines 150 m2 großen Landhauses im Départe­ment Loiret im Wert von 190.000 €. Als mobile Werte deklariert er 104.212 € auf diversen Giro- und Sparkonten, als Schulden einen Immobilienkredit in Höhe von 142.435 €, einen Kredit beim französischen Senat über 9.287 € und eine Schuld aus einer Rechtsstreitigkeit über 14.000 €. Demnach beträgt sein aktuelles Vermögen 965.000 €.

    Das größte Vermögen aller Kandidaten weist Nicolas Dupont-Aignan (*1961), Kandidat der Partei Debout la France, aus. Es beläuft sich auf 1,9 Mill. € und besteht vor allem aus Immobilienwerten.

    Philippe Poutou (*1967), Kandidat der linksextermen Nouveau Parti anticapitaliste hingegen verfügt lediglich über 22.665 €, die auf vier verschie­dene Konten verteilt sind, und einen Peugeot 3008 mit einem Marktwert von 9.000 €.

    Seine Konkurrentin Natha­lie Arthaud (*1970) von der ebenfalls linksextremen Partei Lutte Ouvrière besitzt zur Hälfte eine 48 m2 große Wohnung in Pantin bei Paris im Wert von 248.000 €, Bankguthaben in Höhe von 8.470 € und einen Citroën C3, den sie 2006 für 14.500 € erworben hat.

    5. April 2017

    5. April 2017: Kurzportraits der Kandidaten Nathalie Arthaud, François Asselineau, Jacques Cheminade, Nicolas Dupont-Aignan, Jean Lassalle, Philippe Poutou

    Laut aktueller Umfragen werden am 23. April im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen über 90% der Wähler für François Fillon, Benoît Hamon, Marine Le Pen, Emmanuel Macron oder Jean-Luc Mélenchon stimmen. Knapp 10% möchten einen Kandidaten einer Splitterpartei oder Wahlbewegung unterstützen. Bei der am 4. April von BFM TV und CNews ausgestrahlten TV-Debatte hatten die Außenseiter erstmals Gelegenheit, sich vor einem großen Publikum gemeinsam mit den in den Umfragen führenden Bewerbern zu präsentieren.

    Nathalie Arthaud (*1970), Kandidatin der Partei Lutte Ouvrière (LO), ist Lehrerin für Wirtschaft und Management und unterrichtet auch während ihres Wahlkampfs in einem Lycée nahe bei Paris. LO beruft sich auf die Ideen Leo Trotzkis und sieht die Arbeiterklasse in einer zentralen gesellschaftlichen Rolle, nur deren Ausbeutung ermögliche Firmen und Aktionären immer größere Gewinne. Deshalb fordert Arthaud ein Kündigungsverbot und die Umverteilung der Arbeit auf alle Arbeitnehmer ohne Lohnverluste für die Beschäftigten. Zusätzlich sollen die Angestellten die Kontrolle über ihre Unternehmen bekommen, um zu gewährleisten, dass Unternehmensentscheidungen nicht gegen das Wohl der Beschäftigten getroffen werden. Um allen Bürgern ein würdiges Dasein zu gewährleisten, sollen Gehälter generell um 300 € bzw. Gehälter und Renten auf mindestens 1.800 € netto angehoben werden.

    François Asselineau (*1957), Kandidat der Partei Union populaire républicaine (UPR), ist Absolvent einer Elitehochschule für Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung sowie der Elitehochschule für Verwaltung (ENA). Seit 1985 war er in verschiedenen Behörden und in Ministerien konservativer Regierungen als Finanzinspektor tätig. Seine zentralen Anliegen sind der Ausstritt Frankreichs aus der Europäischen Union (EU) und der NATO, die Wiedereinführung einer nationalen Währung ohne Rücksprache mit der EU, die Renationalisierung der wichtigsten französischen Wirtschaftsunternehmen und die Einführung von Referenden um dem Willen der Bürger Gehör zu verschaffen.

    Jacques Cheminade (*1941), Kandidat der Partei Solidarité et progrès (S&P), hat einen Abschluss in Jura und ist ebenfalls Absolvent einer Elitehochschule für Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung und der ENA. Von 1969-1981 war er als Beamter für wirtschaftliche Außenbeziehungen im Wirtschaftsministerium tätig, seitdem engagiert er sich ausschließlich politisch. Er beruft sich dabei auf die Ansichten des amerikanischen Politaktivisten Lyndon LaRouche, einige Ex-Mitglieder und Beobachter bezeichnen Cheminades Bewegung als Politsekte. Neben dem französischen Austritt aus der EU und der NATO propagiert er u.a. die Aufspaltung des Bankensektors in Geschäfts- und in Investmentbanken, den Bau vier schwimmender Städte in den DOM-TOM als Experiment zur Intensivierung der maritimen Wirtschaft und ein globales 500-Mrd.-Dollar-Programm zur Erforschung und Eroberung des Weltraums.

    Nicolas Dupont-Aignan (*1961), ist Kandidat der 2007 von ihm gegründeten Partei Debout la France (DLF), hat Politik- und Wirtschaftswissenschaften und Jura studiert und ist ebenfalls Absolvent der ENA. 1989-1995 war er in der Zivilverwaltung und in Ministerien tätig, seit 1995 ist er Bürgermeister der Stadt Yerres und seit 1997 Mitglied der Assemblée Nationale, bis 2007 für verschiedene Rechtsparteien, ab 2007 für DLF. Er sieht sich in der Tradition Charles de Gaulles und fordert, dass die EU durch eine Gemeinschaft autonomer Staaten ersetzt wird, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Schengen-Abkommen sofort ausgesetzt werden und Frankreich seine monetäre Unabhängigkeit wieder erlangen muss, um ein souveräner Staat sein zu können. Um die nationale Wirtschaft zu fördern, soll die öffentliche Hand ihren Bedarf zu 75% aus heimischer Produktion decken, ausschließlich in Frankreich produzierte Waren ein „Label Tricolore“ erhalten und eine Steuer auf Importe erhoben werden, die nicht gemäß französischer Sozial-, Sanitär- und Umweltnormen produziert wurden. Durch massive Steuererleichterungen für Unternehmen sollen 1 Mill. Arbeitsplätze neu entstehen, die durch Delokalisierung verloren gegangen sind. Dupont-Aignan inszeniert sich als „saubere“ Alternative zu François Fillon und Marine Le Pen; er erreicht in aktuellen Umfragen mit 3-5% einen Wähleranteil, der Fillon zum Erreichen der Stichwahl fehlen könnte.

    Jean Lassalle (*1955), Kandidat der Bewegung „Résistons !“, ist Agrartechniker, seit 1977 Jahren Bürgermeister einer Gemeinde mit 162 Einwohnern in den westlichen Pyrenäen und seit 2002 Mitglied der Assemblée Nationale. Als Ziele seiner Kandidatur nennt er, den ländlichen Raum zu stärken, große Unternehmen teilweise zu verstaatlichen, die EU in ein Europa der Nationen umzuwandeln und einen obligatorischen Zivil- oder Militärdienst für Jugendlichen einzuführen, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Massiv fördern möchte er erneuerbare Energien, die die Atomenergie ersetzen und die Unabhängigkeit von Erdöl-exportierenden Ländern gewährleisten sollen.

    Philippe Poutou (*1967), Kandidat der Nouveau Parti anticapitaliste (NPA), hat die Schule ohne Abschluss verlassen und arbeitet auch während des Wahlkampfs als Mechaniker im Ford-Werk nahe Bordeaux. Die NPA bezeichnet sich als eine antikapitalistische, marxistische, antirassistische, ökologische und feministische Partei. Sie strebt einen revolutionären Wandel der Gesellschaft und das Ende der Marktwirtschaft an. Wichtige Ziele Poutous sind die Einführung einer 32-Stunden- bzw. einer vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Ähnlich wie Nathalie Arthaud verlangt er Stellenstreichungen und Kündigungen grundsätzlich zu verbieten. Dadurch und durch die Verkürzung der Arbeitszeit könne Vollbeschäftigung erreicht werden. Den Mindestlohn möchte er auf 1.700 € netto anheben, alle Gehälter um 300 €, außerdem sollen unter seiner Präsidentschaft 1 Mill. neuer Stellen im Öffentlichen Dienst geschaffen werden.

    11. April 2017

    11. April 2017: Jean-Luc Mélenchon und seine Bewegung « La France insoumise »

    Jean-Luc Mélenchon (*1951), Kandidat der Bewegung La France insoumise (FI), hat Philosophie studiert und in den 70er-Jahren als Lehrer und Journalist gearbeitet, 1976 trat er in die Parti Socialiste (PS) ein und war für sie u.a. Senator und Minister. Im November 2008 verließ er die PS, weil sie seiner Ansicht nach tradi­tionell linke Positionen nicht mehr vertrat, und gründete die Linkspartei (Parti de Gauche), die sich an der deut­schen Partei „Die Linke“ orientiert. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 erreichte er als Kandidat einer „Linksfront“ (Front de Gauche), der auch die Kommunistische Partei angehörte, im ersten Wahlgang 11,1% der Stimmen.
    Im Februar 2016 verkündete Mélenchon als unabhängiger Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2017 antre­ten zu wollen, eine Teilnahme an den Vorwahlen des linken politischen Spektrums lehnte er ab. In aktuellen Um­fragen liegt Mélenchon bei 18-19% der Stimmen und damit fast gleichauf oder knapp vor dem konservativen Kan­didaten Fillon.

    Seine Ideen: Jean-Luc Mélenchon fordert von der EU verstärkte öffentliche Investitionen, ein Ende der Sparpolitik und mehr Demokratie. Dank seines wirtschaftlichen Gewichts könne Frankreich dies durchsetzen, Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen sei aber, dass für den Fall des Scheiterns ein französischer Austritt aus der EU vor­gesehen würde. Die franzö­sische Mitgliedschaft in der NATO will er zugunsten eines verstärkten Engagements in der UNO kündigen. Unter Mélenchons Präsidentschaft sollen Entlassungen zur Gewinnmaximierung verboten und der Staat verpflichtet werden, Ar­beitslosen eine Arbeit von allgemeinen Interesse anzubieten. Der Mindest­lohn soll auf 1.326 € brutto angehoben und ein Maximaleinkommen von 400.000 € jährlich festgelegt werden.
    Als einziger Kandidat stellt er auch ökologische Themen in den Mittelpunkt und tritt u.a. für die artgerechte Haltung von Tieren und eine Reduktion des Fleischkonsums, eine CO2-Steuer auf Transporte, einen Verzicht auf Diesel­kraftstoffe und den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Nach Amtsantritt möchte er eine Kommission einberufen, die die Grundlagen für eine neue französische Republik – der VI. – ausarbeitet, da die bestehende V. Republik eine präsidiale Monarchie sei, die abgeschafft werden müsse.

    Seine Bewegung: Zeitgleich mit der Ankündigung seiner Kandidatur hat Mélenchon die Bewegung „La France insoumise“ (FI – auf Deutsch „das nicht unterworfene Frankreich“) ins Leben gerufen, die mittlerweile über 385.000 Mitglieder hat und die sich an der spanischen Partei „Podemos“ orientiert. Neben der kommunistischen und der französischen Linkspartei unterstützen sie auch Vertreter der PS und der französischen Grünen, die den Kurs des Präsidenten Hollande als zu wirtschaftsfreundlich ansehen. FI bezeichnet sich als Bürgerbewegung, bei den Parlamentswahlen im Juni wird sie in allen 577 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen, die mehrheitlich der Zivil­gesellschaft entstammen und noch nie ein politisches Amt oder Mandat innehatten. Ausgewählt hat diese Kandi­daten ein nationales Wahlkomitee mit 16 Mitgliedern, die teilweise per Los bestimmt wurden.

    Seine Wähler: Jean-Luc Mélenchon zieht frühere PS- und Grün-Wähler an, die sich von den Parteien wegen der unternehmensfreundlichen Reformen François Hollandes abgewandt haben, und Wähler, die mit den Ideen der Kommunistischen Partei oder trotzkistischer und linkssozialistischer Gruppierungen sympathisieren. Bei den 18-24jährigen Wählern liegt er an erster Stelle und kommt in Umfragen in dieser Altersgruppe auf fast 30% der Stim­men, bei Angestellten mit niedrigem Einkommen, Geringqualifizierten, Beamten und bei Arbeitslosen auf jeweils ca. 20%. In der Gruppe der Besserverdienenden erreicht er hingegen nur etwa 5% der Wählerstimmen.
    Angesichts seines Aufstiegs in den Meinungsumfragen glauben immer mehr Wähler, die sich bisher nicht zwischen den Kandidaten des linken Spektrums entscheiden konnten, dass Mélenchon eine realistische Chance auf den Einzug in die zweite Wahlrunde hat und eine Stimme für ihn nicht nur eine aus Überzeugung sondern auch eine „nützliche Wahl“ sein könnte. Dies geht vor allem zu Lasten des sozialistischen Kandidaten Hamon.

    Gründe für seinen Erfolg: Jean-Luc Mélenchon ist schon seit längerem im Internet und in den sozialen Medien sehr aktiv: Im Vergleich mit den Webauftritten anderer Kandidaten wird seine Website am meisten genutzt, über 275.000 Facebook-Nutzer diskutieren seine Nachrichten, auf Twitter hat er auf seine Äußerungen bis Anfang April fast 80.000 Re-Tweets und über 120.000 Likes erhalten, sein Youtube-Kanal hat über 270.000 Abonnenten.
    Als Hauptgrund für den Aufstieg Mélenchons in der Wählergunst werden allerdings seine charismatische Darstel­lung und besonders seine kämpferischen und schlagfertigen Auftritte in den Fernsehdebatten am 20. März und am 4. April angesehen. Zuschauer der zweiten Debatte assoziierten mit ihm zumeist ein Gefühl der Freude und des Optimismus, wohingegen seine rechtspopulistische Konkurrentin Marine Le Pen mit ihrer negativen Darstel­lung der Gegenwart vor allem ein diffuses Gefühl der Trauer hervorrief. In einer anderen Umfrage wird Mélenchon ein hoher Wert an Glaubwürdigkeit und Verständnis für die Sorgen der Franzosen assistiert, insgesamt wird er als der Kandidat angesehen, der die Ideen und Werte der französischen Linke am besten vertritt.

    Parlamentswahlen 2017

    12. Mai 2017: Kandidaten der Bewegung „La République en Marche !“

    Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse am 7. Mai 2017 ist Emmanuel Macron als Präsident der von ihm gegrün­deten Bewegung En Marche! (EM) zurückgetreten. Am 8. Mai 2017 hat Richard Ferrand, Macrons Nachfolger an der Spitze von EM, erklärt, dass EM unter dem neuem Namen La République en marche ! (LREM) den Wahlkampf für die Parlamentswahlen aufnehmen werde.

    Macron hat während seiner Kampagne mehrfach betont, dass er sich als Präsident auf eine eigene Mehrheit in der Assemblée Nationale (AN) stützen wolle und LREM deshalb bei den Parlamentswahlen in allen 577 Wahlkreisen einen eigenen Kandidaten aufstellen werde. Vor den Präsidentschaftswahlen waren trotz anderslautender Ankün­digungen allerdings nur 14 LREM-Kandidaten für ein Abgeordnetenmandat benannt worden, am 11. Mai 2017 hat die Bewegung nun die Namen von 428 Personen veröffentlicht1, die für sie antreten werden.

    Kriterien für die Auswahl der Kandidaten: Ein Gründungszweck von EM war die Erneuerung des politischen Lebens in Frankreich. Diese Erneuerung soll sich auch in den Vertretern von LREM in der AN widerspiegeln, für ihre Auswahl wurden fünf Kriterien formuliert:

    •  Engagierte Bürger sollen in die Politik zurückkehren, die Hälfte der Kandidaten soll deshalb der Zivilge­sellschaft entstammen.
    •  Genau die Hälfte der Kandidaten sollen Frauen sein.
    •  Die Kandidaten dürfen keine Vorstrafen haben.
    •  Die Kandidaten sollen verschiedene politische Strömungen repräsentieren.
    •  Die Kandidaten müssen sich mit den Zielen von EM identifizieren und den „Vertrag mit der Nation“ un­terzeichnen.

    Alle Mitglieder der Bewegung, der in den vergangenen 13 Monaten über 285.000 Menschen beigetreten sind, waren aufgefordert, sich für eine Kandidatur als Volksvertreter zu bewerben, über 5.500 Frauen und 13.500 Män­nern haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 1.700 dieser Bewerber wurden zu telefonischen oder per­sönlichen Vorstellungsgesprächen eingeladen, bei denen jeweils zehn Vertreter von EM ihre Eignung beurteilten.

    Die Kandidaten:

    •  214 der 428 bekanntgegebenen Kandidaten sind Frauen; ihr Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren, der jüngste Kandidat ist 24, die älteste Kandidatin 72 Jahre alt.
    •  52% hatten noch nie ein Wahlmandat inne, 77% haben derzeit keines.
    •  93% sind berufstätig, 2% auf Arbeitssuche, 4% Rentner, 1% Studenten
    •  21 Kandidaten gehören der bestehenden AN an, die meisten von ihnen der sozialistischen Gruppe.

    Die 29 Kandidaten, von denen persönliche Profile veröffentlicht wurden, verkörpern das von LREM propagierte Ziel, die französische Gesellschaft in ihrer multikulturellen und –professionellen Vielfalt zu vertreten, nur zum Teil:
    27 der 29 verfügen über einen höheren Bildungsabschluss, sechs von ihnen arbeiten als Anwälte oder haben Jura studiert, drei sind selbstständige Unternehmer, vier sind im Bildungsbereich tätig. Ein Landwirt aus dem Départe­ment Creuse repräsentiert den ländlichen Raum, ein Polizeikommissar aus Paris und eine Jagdpilotin der französi­schen Armee stehen für den Bereich Sicherheit. Vier der Kandidaten geben an, der Parti Socialiste anzugehören, zwei sind Bürgermeister kleinerer Gemeinden, eine Kandidatin ist Beigeordnete des Bürgermeinsters in Toulouse, eine andere Gemeinderätin.
    Mindestens sieben der 29 haben einen Migrationshintergrund, ihre Mehrzahl engagiert sich zivilgesell­schaftlich z.B. für den Umweltschutz, für die Einhaltung der Menschenrechte oder auch als Präsident eines Ama­teurfußballvereins.
    In dieser Auswahl fehlen Bewerber, die handwerkliche, industrielle oder wenig qualifizierte Tätigkeiten ausüben.

    Vakante Wahlkreise: Für153 Wahlkreise hat LRME hat bisher noch keine Kandidaten benannt. Beobachter gehen davon aus, dass die Bewegung hofft, dass hier Abgeordnete anderer Parteien, die ihr Mandat verteidigen wollen und die den Ideen Emmanuel Macrons positiv gegenüberstehen, für LRME antreten werden. Im Wahlkreis Bruno Le Maires, einem prominenten Abgeordneten der Republikaner, der eine Zusammenarbeit mit dem Präsidenten Macron befür­wortet hat, wurde z.B. kein LREM-Kandidat aufgestellt. Dem früheren sozialistischen Premierminister Manuel Valls, den LREM nicht als offiziellen Kandidaten benennen wollte, soll in seinem Wahlkreis im Département Essonne kein LREM-Kandidat entgegengestellt werden.

    22. Mai 2017

    22. Mai 2017: Das System zur Wahl der 577 Abgeordneten der Assemblée Nationale

    Anders als in Deutschland, wo die Abgeordneten des Bundestags über eine Verhältniswahl bestimmt werden, die personalisierte Elemente enthält (Direktkandidaten in allen Wahlkreisen), werden in Frankreich die 577 Mitglieder der Assembleée Nationale (AN) in ihren Wahlkreisen in ein oder zwei Wahlgängen direkt gewählt. Dieses System der Direktwahl der Volksvertreter entspricht eher dem einer deutschen Bürgermeisterwahl und ist mit dem pro­portionellen System der Bundestagswahlen, das versucht, lokale und nationale Mehrheitsverhältnisse abzubilden, kaum vergleichbar.

    Kandidaten für die Assemblée Nationale: Die Kandidaturen für ein Abgeordnetenmandat mussten bis zum 19. Mai in der Präfektur des Départements, in dem ein Bewerber antreten möchte, hinterlegt werden. Ein Bewerber muss nicht in dem Wahlkreis, in dem er kandidiert, wohnen. Wenn eine Partei einen Kandidaten an einem Ort aufstellt, zu dem er keinerlei Verbindung hat, spricht man von einem "parachutage" (Fallschirmabwurf). Jean-Luc Mélenchon, der seinen Lebensmittelpunkt in Paris hat, tritt z.B. als Kandidat der Bewegung la France Insoumise (FI) in einem Wahlkreis in Marseille an, wo er im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl 2017 39.09% erreicht hat und sich deshalb gute Chancen ausrechnet, als Abgeordneter gewählt zu werden.

    Aufteilung der Wahlkreise: Von den 577 Wahlkreisen liegen 556 in den Départements, 10 in den Überseegebie­ten, 11 wurden für Gebiete außerhalb Frankreichs eingerichtet, um den im Ausland lebenden Franzosen die Mög­lichkeit zu geben, eigene Vertreter zu wählen. Die Wahlkreise sollen laut Gesetz möglichst die gleiche Einwohner­zahl haben; diese Forde­rung wird in der Praxis aber nicht ein­gehalten: Der Delegierte für die USA und Kanada vertritt z.B. 157.363 Fran­zosen, der der Bewohner des zu Nordamerika gehörenden Überseegebiets St-Pierre-et-Miquelon 6.079. Der be­völkerungsreichste Wahlkreis im europäischen Frankreich hat 146.866 Ein­wohner und gehört zum Dé­partement Seine-Maritime, der bevölkerungsärmste hat 62.082 Einwohner und gehört zum Dépar­tement Hautes-Alpes.

    Ablauf der Wahlen: Die Mitglieder der Assembleée Nationale werden in zwei Wahlgängen bestimmt, die in diesem Jahr am 11. und 18. Juni stattfinden werden. Wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit er­reicht, ist er gewählt und in dem betreffenden Wahlkreis entfällt der zweite Wahlgang. In den Wahlkreisen, in denen kein Bewerber über 50% der Stimmen bekommt, wird der Abgeordnete im zweiten Wahlgang gewählt. An diesem zweiten Wahlgang dürfen alle Kandidaten teilnehmen, die im ersten mindestens 12,5% der Stimmen aller eingetragenen Wähler erhal­ten haben. Falls nur ein Kandidat diesen Stimmanteil erreicht, darf auch der zweitplatzierte, der unter diesem Limit geblieben ist, ein zweites Mal antreten. Sollte kein Kandidat 12,5% erreichen, sind die beiden Erstplatzierten für den zweiten Wahlgang qualifiziert. Im zweiten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit, um als Abgeordneter ge­wählt zu werden.

    Auswirkungen des Wahlsystems: In den 577 Wahlkreisen finden separate Wahlkämpfe statt, bei denen ne­ben den Fragen von nationalem Interesse auch lokale Gegebenheiten und die persönliche Ausstrahlung der Kan­didaten eine große Rolle spielen. Von dem Wahlsystem haben bisher vor allem die Parti Socialiste (PS) und Les Républi­cains (LR – früher UMP) profitiert. Kleinere Parteien schließen häufig Wahlbündnisse mit größeren, um im Parlament mit eigenen Abgeordneten vertreten zu sein. Die Union des démocrates et indépendants (UDI) hat für die anste­henden Wahlen z.B. mit den LR ausgehandelt, dass die LR in 68 Wahlkreisen keine Kandidaten aufstellen werden; die PS verzichtet in 49 Wahlkreisen zugunsten der Partei Europe Écologie Les Verts (EELV) und in 12 zugunsten der Parti radical de gauche (PRG) auf eigene Bewerber.
    Oft verständigen sich Parteien ähnlicher Ausrichtung nach dem ersten Wahlgang in Wahlkreisen, in denen mehr als zwei Kandidaten für die zweite Runde qualifiziert sind, untereinander darauf, Kandidaten zurückzuziehen, um dem Kandidaten der „befreundeten“ Partei zum Sieg zu verhelfen. Um den Einzug von Abgeordneten des Front-National (FN) in die AN zu verhindern, haben bei früheren Wahlen die Parteien in den Wahlkreisen, in denen neben einem FN-Vertreter zwei und mehr Kandidaten die zweite Runde erreicht haben, ihre Kandidaten zugunsten des bestplatzierten Nicht-FN-Bewerbers zurückgezogen und zu dessen Wahl aufgerufen. Dies hat zur Folge, dass der Front National (FN) trotz eines Stimmanteils von 13,6% im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen 2012 nur mit zwei Abgeordneten in der bestehenden AN vertreten ist, da es für FN-Vertreter auch auf lokaler Ebene sehr schwie­rig ist, eine absolute Mehrheit zu erreichen.

    Prognosen für die Wahlen im Juni: Es ist zu erwarten, dass in zahlreichen Wahlkreisen im ersten Wahlgang drei und mehr Kandidaten über 12,5% der Stimmen erhalten werden. Angesichts der unsicheren Mehrheiten im Parla­ment und der Unvereinbarkeit der Positionen der verschiedenen Gruppierungen, z.B. der von Les Républicains (LR) und La France Insoumise (FI), wird die sogenannte republikanische Front gegen den FN vermutlich nicht überall halten, so dass zahlreiche Abgeordnete mit einer einfachen Mehrheit in die AN einziehen werden und in der Assemblée Nationale kein Block über eine absolute Mehrheit verfügen wird.

    30. Mai 2017

    30. Mai 2017: Aufteilung der politischen Linken bei den Wahlen zur Assemblée Nationale

    7.882 Kandidaten treten bei den Wahlen zur Assemblée Nationale (AN) in 577 Wahlkreisen an, dies entspricht einem Schnitt von 13,66 Bewerbern pro Mandat. 3.442 von ihnen hat das französische Innenministerium als Ver­treter der gemäßigten bis radikalen Linken oder von ökologischen Ideen eingeordnet, davon werden aber nur 1.396 von einer der vier linken Parteien unterstützt, die bereits in der AN vertreten sind. 1.490 treten für kleinere Gruppierungen wie die linksradikalen Parteien Nouveau Parti anticapitaliste oder Lutte Ouvrière oder auch als unabhängige Kandidaten an.

    Unter dem φ-Emblem der von Jean-Luc Mélenchon 2016 gegründeten Bewegung La France Insoumise (FI) gehen 556 Personen in den Wahlkampf um die Parlamentsmandate. Ähnlich wie La Républi­que en Marche (LREM) des neu gewählten Präsidenten Macron fordert FI eine Erneuerung des politischen Lebens und hat deshalb hauptsäch­lich Kandidaten aufgestellt, die zivilgesellschaftlich z.B. als Öko-Aktivisten oder Gewerkschafter engagiert sind, noch keine politischen Mandate innehatten und die Vielschichtigkeit der französischen Gesell­schaft repräsentie­ren. Ausgewählt hat diese Kandidaten ein nationa­les Wahlkomitee bestehend aus 16 Mitgliedern von FI, die teil­weise per Los bestimmt wurden.

    Obwohl die Parti Communiste Français (PCF) Mélenchon wäh­rend des Präsidentschaftswahlkampfs unterstützt hat, treten prominente Mitglieder von FI in Wahlkreisen an, die von einem der sieben Abgeordneten der PCF in der bestehenden AN repräsentiert werden. Deshalb und weil alle FI-Kandidaten unterschreiben sollten, im Parla­ment einheitlich abzustimmen, ist eine gemeinsame Kan­didaten-Liste von PCF und FI gescheitert, viele der 461 kommunistischen Kandidaten werden nun, v.a. in den für das linke Lager aussichtsreichen Wahlkreisen, mit denen von FI konkurrieren.

    Die Parti Socialiste (PS) stellt derzeit mit 280 Abgeordneten die größte Fraktion in der AN. Wegen der starken Konkurrenz durch LREM in der politischen Mitte und durch das linkspopulistische FI ist davon auszugehen, dass die PS eine große Zahl ihrer Mandate verlieren wird. Im PS-Programm für die Parlamentswahlen fehlen einige zentrale Forderungen, die PS-Kandidat Benoît Hamon im Präsidentschaftswahlkampf vertreten hat, z.B. das be­dingungslose Grundeinkommen. Gleichzeitig schlägt die PS nun vor, die Arbeitslosenversicherung für alle Berufs­täti­gen zu öffnen und die Wohnsteuer für 80% aller Haushalte zu erlassen und übernimmt damit Positionen von LREM.
    Am 11. Juni werden sich in 414 Wahlkreisen PS-Kandidaten zur Wahl stellen. Obwohl die Parteizentrale allen Richtlinien für die Gestaltung ihrer Werbematerialien geschickt hat, werden diese von einigen bewusst ignoriert. Ca. 15, wie z.B. die früheren Ministerinnen Marisol Touraine oder Myriam El Khomri, werben damit, als Abgeordnete die Politik des Präsidenten Emmanuel Macron unterstützen zu wollen und stellen durch die farbliche Gestaltung ihrer Plakate und Handzettel Distanz zur PS und Nähe zu LREM her. Diese Nähe zur Bewegung Emmanuel Macrons wird auch dadurch unterstrichen, dass LREM in den Wahlkreisen einiger dieser Kandi­da­ten nicht antritt. Auch Benoît Hamon verzichtet auf seinen Postern auf das PS-Logo mit der Begründung, dass sich die Nähe zur Partei als negativ auf seinen Wahlkampf auswirken dürfte. Gleichzeitig unter­stützt er im Wahlkreis seiner Parteikollegin El Khomri, deren Reform des Arbeitsgesetzes er bekämpft hat, einen gemeinsamen Kandidaten von PCF und Eu­rope Écologie-Les Verts (EELV).
    Der frühere PS-Premierminister Manuel Valls, der bereits Ende März zur Wahl Macrons aufgerufen hat, tritt im Département Essonne als un­abhängiger Kandidat an, da er für die PS als Kandidat untragbar ge­worden ist und LREM ihn trotz seiner Bewer­bung nicht nominieren wollte. Beide Gruppierungen verzichten in seinem Wahl­kreis allerdings auf eigene Bewer­ber, Benoît Hamon engagiert sich hier für den Vertreter der PCF.

    Wie bei der vorangegangenen Parlamentswahl hat die PS eine Wahlvereinbarung mit Europe Écologie-Les Verts (EELV) geschlossen. 2012 ist es EELV so gelungen, mit 17 Abgeordneten in die AN einzuziehen und dort erstmals eine parlamen­tarische Gruppe zu bilden, die sich aber nach Streitigkeiten über die Zusammenarbeit mit der sozi­alistischen Regierung auf acht reduziert hat. Gemäß dem neuen Bündnis hat die PS in 49 Wahl­kreisen zugunsten von EELV-Kandidaten auf eigene Bewer­ber verzichtet, EELV in 52 zugunsten von PS-Vertretern. EELV ist in einigen Wahlkreisen auch Kooperationen mit der PCF einge­gangen, Versuche, ähnliche Vereinbarun­gen mit FI zu schlie­ßen, sind gescheitert. Insgesamt nehmen 458 Kandi­daten als offizielle Vertreter von EELV an der ersten Runde der Wahlen zur AN teil.

    Auch mit der Parti radical de Gauche (PRG), die programmatisch LREM nahesteht und die mit 12 Abgeordneten in der AN vertreten ist, hat die PS eine Absprache getroffen. Die PS verzichtet im Hinblick auf eine spätere parla­mentarische Zusammenarbeit in den Wahlkreisen, die in der AN von PRG Kandidaten vertreten werden, auf eigene Bewerber. Die PRG nimmt mit 62 Kandidaten an den Parlamentswahlen teil.

    2. Juni 2017

    2. Juni 2017: Aufteilung der politischen Rechten bei den Wahlen zur Assemblée Nationale

    7.882 Kandidaten bewerben sich bei den Wahlen zur Assemblée Nationale (AN) um 577 Abgeordnetensitze, dies entspricht einem Schnitt von 13,66 Bewerbern pro Wahlkreis. 2.336 von ihnen hat das französische Innenminis­terium als Ver­treter der gemäßigten bis radikalen Rechten eingeordnet, davon werden 1.587 von einer Partei unterstützt, die bereits in der AN vertreten ist.

    Die Abgeordneten von Les Républicains (LR) bildeten in der Legislaturperiode 2012-2017 mit 199 Parlamenta­riern die größte Oppositionsfraktion in der AN, am ersten Wahlgang am 11. Juni nehmen sie mit 480 Kandidaten teil. Kurz nach der Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Präsidenten erklärte LR-Wahlkampfleiter François Baroin, dass die LR die absolute Mehrheit im Parlament anstreben, um selbst die Regierung bilden und dem Prä­sidenten Macron ihre Politik aufzwingen zu können. Im Falle des Misserfolgs würden die LR-Abgeordneten in die Opposition gehen. Eine Koalition mit La République en Marche (LREM) schloss Baroin aus, Republikanern, die in das Kabinett der neuen Regierung eintreten würden oder sich für eine Zusammenarbeit mit LREM einsetzen würden, drohte er mit Parteiausschluss.
    Diese Linie der strikten Abgrenzung zu LREM wurde am 15. Mai konterkariert durch ein Kommuniqué, in dem knapp 30 Mandatsträger der Republikaner und der Union des démocrates et indépendants (UDI) die Ernen­nung Edouard Philippes, eines Mitglieds der Republikaner, zum Premierminister begrüßten und ihr eigenes politi­sches Lager aufforderten, die ausgestreckte Hand des Präsidenten Macron anzunehmen. Diesen Appell haben mittlerweile 173 konservative Politiker unterzeichnet, darunter prominente LR-Vertreter wie der Bürgermeister Nizzas, Christian Estrosi, oder die ehemalige Ministerin Nathalie Kosciusko-Morizet. Kosciusko-Morizet, die sich für die LR in einem Pariser Wahlkreis um ein Abgeordnetenmandat bewirbt, hat auf ihren Flyern gekennzeichnet, welche Vorschläge Macrons sie voll und ganz unterstütze, bei welchen sie Diskussionsbedarf sehe und welche sie ablehnen würde und macht so ihren Willen zur Zusammenarbeit deutlich. Dieses Verhalten hat die Parteiführung bisher nicht offiziell sanktioniert. Gegen ihrem ursprünglichen Kandidaten Bruno Le Maire, der als Wirtschaftsmi­nister in die Regierung Philippe eingetreten ist, hat sie allerdings einen neuen LR-Kandidaten aufgestellt. Dies vermutlich auch, weil LREM gegen Le Maire, wie auch gegen einige andere kooperationsbereite Republikaner, keinen Gegen­kandidaten aufgeboten hat.

    Wie bei der vorangegangenen Parlamentswahl haben die LR eine Wahlvereinbarung mit der Zentrumspartei Union des démocrates et indépendants (UDI) geschlossen, die 2012 mit 28 Abgeordneten in die AN eingezogen ist. Gemäß diesem Abkommen verzichten die Republikaner in 92 Wahlkreisen auf eigene Bewerber und unterstützen dort die Kandidaten der UDI. Die UDI ist mit 148 Vertretern beim ersten Wahlgang vertreten, um 46 Mandate konkurrieren UDI- und LR-Kandidaten miteinander.

    Die Partei Debout la France (DLF) sieht sich als einzig wahre Vertreterin der Ideen Charles de Gaulles, ihr Pro­gramm ähnelt in vielen Punkten dem des Front National (FN). In der AN ist sie nur durch ihren Vorsitzenden und Präsidentschaftskandidaten Nicolas Dupont-Aignan vertreten, der nach seinem Ausscheiden im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen zur Wahl Marine le Pens aufgerufen hat. Dies haben die meisten seiner Parteianhänger nicht goutiert, weswegen eine gemeinsame Liste von DLF und FN nicht zu Stande gekommen ist. Den 388 DLF-Kandidaten werden kaum Chancen eingeräumt in die AN gewählt zu werden, auch Nicolas Dupont-Aignan wird Schwierigkeiten haben, sein Mandat im Département Essonne zu verteidigen.

    Trotz eines Stimmenanteils von 13,6% im ersten Wahlgang 2012 wurden letztlich nur Marion Maréchal-Le Pen für den Front National (FN) und Gilbert Collard, Vorsitzender der FN-nahestehenden Gruppierung Rassemblement bleu Marine, als Vertreter der Ideen Marine Le Pens in die AN gewählt. 2017 schickt der FN 571 Kandidaten in den Wahlkampf um die Parlamentsmandate und ist so in fast allen Wahlkreisen vertreten. Marine Le Pen hat im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in 45 Wahlkreisen über 50% der Stimmen erhalten, in 67 zwischen 45% und 50%.

    Trotz dieser Ausgangsposition gehen Experten und Umfrageinstitute davon aus, dass die Partei Mühe haben wird, die zur Bildung einer parlamentarischen Gruppe nötigen 15 Abgeordnetenmandate zu erreichen. 18 der 20 Wahl­kreise, in denen die FN-Kandidatin am 7. Mai deutlich über 50% gekommen ist, liegen im Norden oder Nordosten Frankreichs. Hier bewerben sich zumeist Anhänger des parteiintern umstrittenen FN-Vizepräsidenten Florian Phi­lippot; seine Position könnte durch die Wahl ihm verbundener Kandidaten gestärkt werden. Marine Le Pen stellt sich im Wahlkreis Hénin-Beaumont im Département Pas-de-Calais zur Wahl. 2012 war sie hier um 118 Stimmen einem sozialistischen Kandidaten unterlegen. Im Südosten Frankreichs, wo die Liste „Bleu-Marine“ 2012 zwei Sitze gewann, kann der FN besonders in einigen Wahlkreisen um Marseille auf Abgeordnetensitze hof­fen. Als zusätzliche Konkurrenz des FN am rechten Rand treten zwischen 150 und 200 Kandidaten für ein Wahl­bündnis an, das von Marine Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen und einigen anderen FN-Dissidenten unterstützt wird.

    13. Juni 2017: Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Parlamentswahlen – Parteien im Umbruch

    Den ersten Wahlgang zur Assemblée Nationale (AN) hat Emmanuel Macrons Partei La Républic en Marche! (LREM) zusammen mit der liberalen Zentrumspartei Mouvement démocrate (MoDem) mit 32,32% der abgegebenen Stimmen klar gewonnen. Das Bündnis aus LREM und MoDem wird in 513 der 577 Wahlkreise im zweiten Wahlgang am 18. Juni vertreten sein, in 437 Fällen an der Spitze. LREM und MoDem dürften zwischen 415 und 455 Sitze in der AN erhalten. Emmanuel Macron wird somit voraussichtlich auf eine absolute Mehrheit im Parlament zurückgreifen können. Die Besonderheit des französischen Wahlsystems der zwei Wahlgänge macht dies trotz der ursprünglichen nur 32% für LREM/MoDem möglich.

    Bei der Wahl zur AN ziehen alle Kandidaten, die im ersten Wahlgang mehr als 12,5% der Stimmen aller eingetragenen Wähler erhalten, in die Stichwahl ein. Dies kann oft dazu führen, dass mehrere, in der Regel drei, Kandidaten den zweiten Wahlgang erreichen. Eine besondere Konstellation ergibt sich dabei, wenn sich unter den Kandidaten ein Vertreter des Front National (FN) befindet. In diesem Fall schließen sich traditionell das bürgerliche und sozialistische Lager gegen den FN zusammen, indem die anderen Parteien ihre Kandidaten zugunsten des bestplatzierten Nicht-FN-Bewerbers zurückziehen. Unter diesem als front républicain bekannten Pakt versteht man allgemein den Zusammenschluss politisch rechter und linker Parteien während einer Wahl gegen eine von ihnen als republikfeindlich angesehene Partei.

    Die Situation der diesjährigen Parlamentswahlen hat durch den deutlichen Sieg des LREM/MoDem-Bündnisses, und somit dem praktischen Auflösen der klassischen links – rechts Verhältnisse, auch das Konzept des front républicain erschüttert. Zunächst besteht dieser im klassischen Sinne, das heißt das bürgerliche und sozialistische Lager gegen den FN, nicht mehr, da es in keinem Wahlkreis das Duell Parti Socialiste (PS) und Les Républicain (LR) gegen den FN im zweiten Wahlgang geben wird. Zudem ist die Anzahl der sogenannten Triangulaires (Wahl mit drei Kandidaten) insgesamt aufgrund der historisch geringen Wahlbeteiligung von 48,7% begrenzt. Nur im ersten Wahlkreis des Départements Aube wird es zu einem Dreikampf zwischen Kandidaten der LREM, der LR und des FN im zweiten Wahlgang kommen. In allen anderen Wahlkreisen, sofern nicht schon im ersten Wahlgang entschieden, wird es ausschließlich Zweikämpfe geben. Diese Duelle werden mehrheitlich, und zwar in 273 Wahlkreisen, zwischen Kandidaten des Bündnisses aus LREM und MoDem und einem Kandidat der Rechten ausgetragen. In 134 Fällen tragen LREM/MoDem ihr Duell gegen linke Kandidaten aus.

    Der FN konnte sich mit 13,2% der Wählerstimmen in insgesamt 121 Wahlkreisen für den zweiten Wahlgang qualifizieren. Die Mehrheit der FN-Kandidaten dürfte jedoch aussichtslos in die zweite Runde gehen. In 20 Wahlkreisen liegt der FN an der Spitze. Gute Chancen gewählt zu werden, hat hierbei insbesondere Marine Le Pen, die in ihrem Wahlkreis des Pas-de-Calais 46,02% aller abgegangenen Stimmen erreichen konnte. Zwischen drei bis zehn Sitze sind für den FN in der AN zu erwarten. Ihr Ziel 15 Wahlkreise zu gewinnen, um damit eine Fraktion in der AN bilden zu können, wird demnach voraussichtlich verfehlt werden.   

    Neben dem hohen Nichtwähleranteil, der den FN benachteiligte, liegt eine weitere Erklärung für das doch eher schwache Abschneiden des FN im eindeutigen Triumph des LREM/MoDem-Bündnisses. In 99 Wahlkreisen stehen sich Kandidaten der LREM/MoDem und der extremen Rechten gegenüber. Der FN bestreitet 75% seiner Duelle gegen LREM/MoDem-Kandidaten. In den meisten Fällen dürfte er hierbei kaum Chancen haben. Die Unterstützung der LREM/MoDem-Kandidaten durch LR, mit 21,56% der Wählerstimmen zusammen mit ihren Verbündeten aus dem rechten Lager zweitstärkste Kraft, und auch PS, mit ihren Bündnispartnern historisch schwach bei 9,51%, sind zu erwarten. Umgekehrt steht Kandidaten der PS oder LR im Falle des Duells mit dem FN der Beistand durch LREM/MoDem zu.

    Eine besondere Unbekannte spielen hingegen die Kandidaten der France Insoumise (FI), die mit 11,02% der eingereichten Stimmen viertstärkste Kraft wurde. Schon bei der Präsidentschaftswahl hatte sich Jean-Luc Mélenchon nicht klar zu Macron bekannt. Ähnliche Positionen sind auch von einigen seiner Kandidaten bei den Parlamentswahlen zu erwarten, sofern FN-Kandidaten in ihren Wahlkreisen den  zweiten Wahlgang erreichen. In knappen Zweikämpfen, wie etwa dem in Forbach, wo FN-Vize Florian Philippot mit 23,79% der Stimmen nur unwesentlich vor LREM-Kandidat Christophe Arend (22,01%) liegt, könnte dies dem FN Vorteile bringen.

    Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Parlamentswahlen – Parteien im Umbruch als PDF-Datei

     

    19. Juni 2017

    19. Juni 2017: Zusammensetzung der neu gewählten Assemblée Nationale

    Am 18. Juni 2017 wurden im zweiten Wahlgang die noch nicht feststehenden Mandate für die 15. Legislaturperi­ode der Assemblée Nationale (AN) vergeben. Die Wahlbeteiligung hat dabei erneut einen historischen Tiefstand erreicht und lag mit 42,64% noch unter der des ersten Wahlgangs (48,7%). Nie zuvor waren die Mitglieder der AN der Fünften Republik durch eine so geringe Anzahl von Wählerstimmen legitimiert.

    Der erst im letzten Jahr gegründeten Bewegung La République en Marche (LREM) des Präsidenten Emmanuel Macron ist es am besten gelungen, ihre Anhänger zu mobilisieren. In 308 der 577 Wahlkreise wurden ihre Kandidaten gewählt, die Vertreter des mit LREM verbündeten Mouvement démocrate (MoDem) erreichten 42 Mandate. Außerdem wurden 28 weitere Abgeordnete in die AN gewählt, die als unabhängige Kandidaten oder für andere Parteien angetreten waren, aber während ihres Wahlkampfs erklärt hatten, die Politik des neuen Präsidenten unterstützen zu wollen. Macron kann demnach auf die Zustimmung von 378 Abgeordneten für seine Politik vertrauen, was fast einer Zwei­drittelmehrheit in der AN entspricht.
    Die Republikaner (LR), die bisher über 199 Sitze in der AN verfügten, mussten deutliche Verluste hinnehmen. Sie werden aber mit ihren künftig 113 Abgeordneten gemeinsam mit der mit ihnen verbündete Zentrumspartei Union des démocrates et indépendants (UDI), die 18 Mandate erreichte, weiterhin die größte Oppositionsfraktion stellen. Die Parti Socialiste (PS), bisher stärkste Kraft in der AN, verlor 251 Sitze und stellt künftig nur noch 29 Abgeordnete im Parlament. Die mit ihr verbündeten Parteien Europe Écologie-Les Verts (EELV) und Parti radi­cal de Gauche (PRG) kamen lediglich auf einen bzw. drei Sitze.

    Als Vertreter der extremen Linken wurden 17 Kandidaten der Bewegung La France Insoumise (FI) und 10 Parti Communiste Français (PCF) in die AN gewählt, was bedeutet, dass die FI-Vertreter auch ohne die Hilfe der Kommunisten eine Fraktion bilden können. Der rechtsextreme Front National (FN) wird mit acht (statt bisher zwei) Abgeordneten, darunter seine Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen, in die AN einziehen, und bleibt damit deutlich unter den für die Bildung einer Fraktion nötigen 15 Mandaten.

    Parteiübergreifend wurden nur 145 der 350 Abgeordneten, die sich zur Wiederwahl stellten, bestätigt. 432 Ab­geordnete gehörten der von 2012 bis 2017 bestehenden AN nicht an. Künftig werden 224 Frauen die Interesses­sen des Volkes hier vertreten, ihr Anteil steigt damit von bisher 26,88% auf 38,8%.
    Bei den Berufsgruppen, die die Abgeordneten repräsentieren, dominieren die leitenden Angestellten (186), die Beamten (129) und die freien Berufe (88). 51 waren bisher als Angestellte tätig, 14 als Landwirte, lediglich 11 als Handwerker oder Händler, die Arbeiterschaft ist in der AN nicht vertreten. 40 Parlamentarier gehören zur Gruppe der Rentner.
    Mit 349 Abgeordneten ist die Altersgruppe der 40-60jährigen am stärksten repräsentiert, die unter 40jährigen stellen 145 Abgeordnete, die über 60jährigen 83.

    27. Juni 2017

    27. Juni 2017: Motive und Profile derer, die sich bei den Parlamentswahlen enthalten haben

    Das Wahlbündnis von La République en Marche (LREM) und der Mouvement démocrate (MoDem) hat bei den Parla­mentswahlen 350 der 577 Sitze in der Assemblée Nationale (AN) gewonnen. Präsident Emmanuel Macron kann sich hier während seiner Präsidentschaft nun auf eine Mehrheit von 60% der Abgeordneten stützen. Da nach dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vier Kandidaten, die unterschiedliche politische Lager reprä­sentie­ren, dicht beieinander lagen, war dieses Ergebnis noch vor sechs Wochen so nicht erwartet worden.

    Mobilisierung der verschiedenen Lager: Am ersten Wahlgang der Präsidentschafts­wahlen haben 37 Mio. Franzosen teilgenom­men, am ersten Wahlgang der Parlaments­wahlen nur etwas über 23 Mio, was einer his­torisch niedrigen Wahlbeteiligung von 48,7% entspricht. Dieser Rückgang ging vor allem zu Lasten der Kandidaten des rechtsextre­men Front National (FN) und des linkspopu­listischen France Insoumise (FI), die jeweils mehr als 4,5 Mio. der Wähler, die am 23.04. für ihren Präsidentschaftskandidaten ge­stimmt hatten, nicht mobilisieren konnten; die Zahl derjenigen die für Macron bzw. seine Bewegung stimmten, ging dagegen nur um 1,3 Mio. zurück. In einer Umfrage, die das Institut Odoxa am 14./15. Juni realisiert hat, sagten 12% der Befragten, die beim ersten Wahlgang keine Stimme abgegeben hatten, den neuen Präsidenten nicht blockieren, seine Kandidaten aber auch nicht unter­stüt­zen zu wollen. 27% äußerten die Mei­nung, dass zu wählen nutzlos sei, da LREM in je­dem Fall gewinnen würde. Diejenigen, die bei den Präsidentschaftswahlen für Kandida­ten ge­stimmt hatten, die die Vorschläge Macrons als neoliberal, zu wirtschafts- und globalisierungs­freundlich abgelehnt hatten, waren sich der Möglichkeit, dem Präsidenten im Parlament eine starke Opposition oder gar eine Mehrheit, die ihm ihre Ideen aufzwingen könnte, entgegenstellen zu können, nicht bewusst oder wollten sie nicht wahrnehmen. Der Versuch der Bewegung la France Insoumise (FI), mit Kandidaten aus der Zivilgesellschaft, die (ähnlich wie die von LREM) in einem aufwän­digen Verfahren aus Tausenden Bewerbungen ausgewählt wurden, ihre Wählerschaft zu motivieren, ist nicht ge­glückt. Im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen ging sie um 65% zurück.
    Über 60% der 18-34jährigen, eine wichtige Wählergruppe von FN und FI, verzichteten auf ihre Stimmabgabe, der Anteil der über 60jährigen bzw. der Rentner, die nicht wählen gingen, lag bei 40%. Innerhalb der Gruppe der be­rufstätigen Wähler im 2. Wahlgang dominieren, laut einer vom 15.-17. Juni realisierten Umfrage des Instituts Ipsos, die leitenden Angestellten mit 50%, von den befragten Angestellten wollten 35% von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, von den Arbeitern 31%, von den Arbeitslosen 34%. Gleichzeitig steigt die Zahl der Wähler mit dem Bil­dungsniveau (40% derjenigen, die das Baccalauréat oder einen niedrigeren Abschluss angeben, wollten wäh­len gehen; 50% derjenigen, die einen höheren Studienabschluss haben) und dem Einkommensniveau (68% derje­nigen, die unter 1250€ im Monat zur Verfügung haben, verzichteten auf die Stimmabgabe, 50% derjenigen, die über mehr als 3000€ verfügen).

    Vorschläge, das bestehende System zu reformieren: Laut der oben genannten Umfrage des Instituts Odoxa empfinden es 58% der Franzosen als ungerecht, dass LREM/MoDem über eine große parlamentarische Mehrheit verfügt, obwohl das Wahlbündnis im ersten Wahlgang nur knapp ein Drittel der abgegebenen Stimmen bekom­men hat. Unter den Anhängern der Linken sind 65% dieser Meinung, unter denen der Rechten 77%, unter denen des FN 85%. 72% der Befragten würden es begrüßen, wenn die Mitglieder der AN künftig in einer Verhältniswahl be­stimmt würden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Verfahren, das Macron in „einer Dosis“ in seinem Wahlpro­gramm versprochen hatte, für künftige Wahlen tatsächlich eingeführt wird.
    Um die Beteiligung an den Parlaments­wahlen anzuheben wurde von Experten auch vorgeschlagen, sie parallel zu den Präsident­schaftswahlen abzuhalten.

    Maßnahmen der neu gewählten Regierung im Sommer 2017

    5. Juli 2017

    5. Juli 2017: Regierungserklärung des Premierministers Edouard Philippe

    Einen Tag nachdem Präsident Emmanuel Macron (*1977) im Schloss von Versailles vor den Mitgliedern der As­semblée Nationale und des Senats die Grundlinien seiner Politik der nächsten fünf Jahre vorgestellt hat, legte der von ihm ernannte Premierminister Édouard Philippe (*1970) vor dem Parlament dar, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um die von Macron benannten Ziele zu erreichen.

    Staatsfinanzen: Philippe hat bekräftigt, dass bereits 2017 das Haushaltsdefizit 3% des BIP nicht überschreiten soll. Deswegen sollen im laufenden Haushaltsjahr alle Ministerien gemeinsam 4 Mrd. € einsparen, die Staatsaus­gaben von 2018 sollen die von 2017 nicht übersteigen. Bis 2022 sollen die öffentlichen Ausgaben um 3% des BIP gesenkt wer­den, gleichzeitig sollen die Steuerzahler um 1% des BIP entlastet werden. Dafür soll das öffentliche Engagement, in Bereichen, wo es keine zufriedenstellenden Resultate erzielt, eingestellt bzw. an private Akteure übertragen werden. Die staatlichen Wohnungsbeihilfen nannte Philippe als Beispiel für einen Haushalts­posten, der kritisch überprüft werden wird.

    Steuern: Die obligatorischen Sozialabgaben sollen bereits 2018 um 1,7 Punkte von 7,5% auf 8,3% bzw. 9,9% je nach Ge­haltstyp angehoben werden, als Ausgleich sollen künftig keine Arbeitnehmerbei­träge zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung mehr erhoben werden. Die Abschaffung der Wohnsteuer für 80% der französi­schen Haushalte, die Macron im Wahlkampf in Aussicht gestellt hatte, soll erst am Ende der Wahlperiode umge­setzt werden. Die ebenfalls angekündigte Vereinfachung und Reduzierung der Vermögenssteuer (z.B. sollen Kapitalan­lagen, die der Finanzierung von wirtschaftlicher Aktivität dienen, nicht mehr besteuert werden) soll 2019 in Kraft treten.

    Investitionen: Der Wirtschaftswissenschaftler Jean Pisani-Ferry soll für die Regierung einen Plan ausarbeiten, um mit einem Investitionsvolumen von 50 Mrd. € Maßnahmen für Verbesserungen in den Bereichen der ökologischen Wende, der Landwirtschaft, des Gesundheits- und Verkehrswesens und der Modernisierung des Staatsapparats auf den Weg zu bringen.

    In der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ist Frankreich laut Édouard Philippe seinen gesetzlichen und mo­ralischen Verpflichtungen bis­her nicht gerecht geworden.

    • Die Regierung wird deshalb in der kommenden Woche Maßnahmen präsentieren, um den Forderungen nach Würde, Effizienz und Solidarität gerecht zu werden.
    • Die Dauer eines Asylverfahrens soll von 14 auf 6 Monate verkürzt werden, alle abgelehnten Asylbewerber sollen umgehend abgeschoben werden.
    • Frankreich will sich weiter um eine Reform des europäischen Asylverfahrens bemühen.

    Ökologischer Wandel

    • Bis zum Jahr 2050 soll die Energie in Frankreich zu 100% klimaneutral erzeugt werden.
    • Künftig werden keine Kon­zessionen mehr für die Förderung konventioneller Energieträger vergeben.
    • Bis 2022 sollen die Steuersätze für Benzin- und Dieselkraftstoffe einander angeglichen werden, die steu­er­liche Bevorteilung von Dieselkraftstoffen wird damit beendet.
    • Die Restmüllmenge soll bis 2025 um die Hälfte reduziert werden, zum gleichen Zeitpunkt sollen alle Plas­tikab­fälle wiederverwertet werden.

    Bildung

    • Bis September 2018 sollen neue Regelungen für das französische Abitur (baccalauréat) festgelegt wer­den, diese sollen erstmals für die Schüler des Abiturjahrgangs 2021 angewandt werden. Die Regierung sieht vor, dass Abschlussprüfungen nur noch in einem kleinen Teil der unterrichteten Fächer abgenom­men werden, für die verbleibenden Fächer sollen die Bewertungen gelten, die im Verlauf der letzten Schuljahre erzielt wurden.
    • Die Vergabe von Studienplätzen nach dem Losverfahren soll abgeschafft werden. Stattdessen sollen Ein­gangsprüfungen für die verschiedenen Studienfächer eingeführt werden, um die Zahl von 60% Studien­ab­brechern in den ersten beiden Jahren zu reduzieren.
    • Ausbildungsberufe sollen aufgewertet werden, die Verbindungen zwischen Berufsschulen und Betrieben ausgeweitet werden, um die Jugendlichen besser auf ihre späteren Berufe vorzubereiten.

    Gesundheit

    • Impfungen für Kleinkinder, die von der Medizin ausdrücklich empfohlen werden, sind ab 2018 obligato­risch.
    • Die Preise für Tabakwaren sollen drastisch steigen, eine Packung Zigaretten beispielsweise statt bisher 7 € 10 € kosten (dies entspricht einer Erhöhung von über 40%).
    • Studenten, die einen Beruf im Gesundheitsbereich ergreifen möchten, sollen zu einem „Gesundheits­dienst“ verpflichtet werden.

    Regierungserklärung des Premierministers Edouard Philippe als PDF-Datei

    14. Juli 2017

    14. Juli 2017: Ergebnisse des Deutsch-Französischen Ministerrats am 13. Juli 2017

    Unter dem Motto „effizient und ambitioniert sein“ hat die französische Regierung am 14. Juli die Ergebnisse des ersten Deutsch-Französischen Ministerrats nach der Wahl Emmanuel Macrons zum Präsidenten Frankreichs ver­öffentlicht. Daraus einige wichtige Ergebnisse zu den Bereichen Bildung, Verteidigung, Sicherheit sowie Wirtschaft und Soziales sowie Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik.

    Schul- und Ausbildung

    •  Zur Förderung der Sprache des Partners strebt Frankreich für den Beginn des Schuljahres 2017/18 die Eröff­nung von 1.200 bilingualen Klassen an, in denen Deutsch und Englisch parallel ab der sechsten Klasse unterrichtet werden. Auf diese Weise soll die Zahl der Schüler an den Collèges, die Deutsch lernen, um 10% gegenüber 2015 auf insgesamt 540.000 gesteigert werden. Deutschland wird sich seinerseits bemühen, die Zahl der Schüler, die Französisch lernen, in allen Schularten zu steigern.
    •  Der Schüleraustausch zwischen beiden Ländern soll intensiviert werden. Bis 2020 möchte Frankreich dazu die Zahl der Schulen, die eine Austauschvereinbarung mit einer deutschen Schule abgeschlossen haben, um 10% steigern. Um eine Kultur der Mobilität zu entwickeln, werden beide Partner Fortbildungsangebote für Lehrer und pädagogisches Personal ausarbeiten und sich dabei auf das Fachwissen des Deutsch-Französi­schen Jugendwerks (DFJW) stützen.
    •  Um die Mobilität der Jugendlichen zu verbessern, sollen die Mittel des künftigen Erasmus+-Programms er­höht und die Zahl der teilnehmenden Auszubildenden signifikant gesteigert werden. Die 20 Zentren in Frankreich für Berufe, die die Energiewende umsetzen, sollen zum wechselseitigen Austausch Partnerschaf­ten mit deutschen Einrichtungen aus dem gleichen Bereich ins Leben rufen. Sie sind außerdem dazu aufgeru­fen, deutsch-fran­zösische Sektionen einzurichten, die erste soll bereits 2018 eröffnet werden. Die deutsch-französische Zu­sammenarbeit im Bereich der Berufsausbildung, die sich am Oberrhein im Rahmen des Azubi Bac pro be­währt hat, soll ausgeweitet werden.

    Verteidigung und Sicherheit

    •  Eine tatsächliche gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik wird von beiden Partnern ange­strebt, die EU soll sich im Bereich der Sicherheit und Verteidigung zu einem globalen Akteur entwickeln.
    •  Frankreich und Deutschland werden auch künftig im Bereich der Entwicklung militärischer Fähigkeiten eng zusammenarbeiten. Dazu sollen u.a.
    •  die Zusammenarbeit beim Bau von Nachfolgern der vorhandenen Kampfpanzer- und Artilleriesysteme fortge­führt und mittelfristig für andere Mitgliedsstaaten geöffnet werden;
    •  gemeinsam ein Kampfflugzeug entwickelt werden, das langfristig in beiden Ländern die entsprechenden Flugzeugtypen ersetzt, die Planung dieses Vorhabens soll bis Mitte 2018 ausgearbeitet werden;
    •  für die Zusammenarbeit bei der nächsten Generation des Tiger-Hubschraubers und eines gemeinsamen Programms für taktische Luft/Boden-Flugkörper ein Rahmen geschaffen werden.

    Wirtschaft und Soziales

    •  Um Sozialdumping zu verhindern, soll die Richtlinie zur Entsendung von Mitarbeitern in europäische Partner­länder überarbeitet werden. Das Prinzip  „am gleichen Arbeitsort für gleiche Arbeit gleicher Lohn“ soll garantiert werden.
    •  Im Anschluss an den G20-Gipfel treten beide Partner für offene und gerechte Handelsbedingungen ein. Die wechselseitige Öffnung der Beschaffungsmärkte wird angestrebt;
    • gleichzeitig fordern Deutschland, Frank­reich und Italien die europäische Kommission auf, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie europäische Unter­nehmen in strategisch wichtigen Branchen besser vor Übernahmen durch Unternehmen aus Drittstaaten ge­schützt werden können.

    Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik

    • Deutschland und Frankreich fordern, dass schon beim Übertritt von Flüchtlingen auf das Gebiet der EU fest­gestellt wird, wer Anrecht auf Schutz hat und wer ein illegaler Wirtschaftsflüchtling ist. Dazu soll das Personal von Frontex und EASO erhöht werden.
    • Die Partner möchten gemeinsam die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts voranbringen.
    • Beide Länder wollen sich künftig intensiv über die Eingliederung von Zuwanderern austauschen, deshalb wurde ein gemeinsamer Integrationsrat (DFIR) gegründet. Dieser soll sich zunächst damit beschäftigen,
    • wie durch Spracherwerb und Vermittlung demokratischer Werte der Zusammenhalt innerhalb der Gesell­schaften gestärkt werden kann,
    • wie die Integration der Migranten durch Information und Orientierung verbessert werden kann,
    • wie das bürgerschaftliche Engagement und der soziale Zusammenhalt gefördert werden können.

    Ergebnisse des Deutsch-Französischen Ministerrats am 13. Juli 2017 als PDF-Datei

    26. Juli 2017

    26. Juli 2017: Von der Regierung Philippe vorgesehene Änderungen im Bereich der Besteuerung

    Nur 16,1 Mill. der 37,7 Mill. französischen Haushalte, die für das Jahr 2016 eine Steuererklärung abge­geben ha­ben, müssen tatsächlich Steuern auf ihr Einkommen bezahlen. Der Anteil der einkommenssteuerpflichti­gen Haus­halte ist damit auf 42,8% gesunken, dies ist der niedrigste Stand seit den 60er-Jahren. Durch die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze von 13.489 € auf 16.337 € jährlich für Singlehaushalte und von 27.159 € auf 41.313 € jährlich für Familien mit zwei Kindern wurden zwischen 2013 und 2016 insgesamt 3 Mill. Haushalte von der Ein­kommenssteuer befreit. Die 10% der Haushalte mit dem höchsten Einkommen entrichtet 69% der staatlichen Einkommenssteu­ereinnahmen. (Zum Vergleich: In Deutschland bezahlen 68,3% der Volljährigen Einkommenssteu­ern, die 10% der einkommensstärksten Haushalte tragen 48,2% der über diese Art der Besteuerung erzielten staat­lichen Einnahmen bei).
    Während seines Wahlkampfs hat Emmanuel Macron Reformen in drei Bereichen angekündigt, die sich positiv auf die Kaufkraft der Franzosen und das Investitionsklima in Frankreich auswirken sollen.

    Die Contribution sociale généralisée (CSG – Allgemeine Sozialabgabe) wurde 1991 eingeführt, um die Finan­zierung der sozialen Sicherungssysteme auf eine breitere Grundlage zu stellen, mittlerweile übersteigen die Ein­nahmen aus der CSG die aus der Einkommenssteuer. Sie wird auf die Einkünfte aller in Frankreich lebenden Per­sonen erhoben, auf Renten, auf Transferleistungen wie die Arbeitslosenunterstützung, auf Gewinne aus Kapitalan­lagen und auf Spielgewinne. Anders als die Einkommenssteuer wird sie direkt vom Bruttogehalt der Arbeitnehmer abgezogen. Die Sätze der CSG variieren zwischen 6,2% für Arbeitslose und 9,5% für Gewinne im Glücksspiel, Lohn aus Erwerbstätigkeit wird zu 7,5% belastet.
    Zum 1. Januar 2018 sollen die Sätze der CSG um 1,7% angehoben werden, gleichzeitig werden den in der Privatwirt­schaft Beschäftigten keine Beiträge mehr für Arbeitslosen- und Krankenversicherung vom Gehalt abgezogen (der­zeit liegen diese bei 3,15% des Bruttogehalts). Dadurch soll die Kaufkraft von 20 Mill. Berufstätigen gesteigert werden, ein Mindestlohnempfänger wird ca. 250 € mehr im Jahr zur Verfügung haben, ein Arbeitnehmer, der im Monat 2.200 € netto verdient, hat im Jahr 500 € mehr. Ein weiteres Ziel der Reform ist, auch von Beamten und Rentnern Beiträge, vor allem zur Arbeitslosenversicherung, einzuziehen. Profitieren werden von dieser Änderung vor allem die in der Pri­vatwirtschaft Beschäftigten. Stärker belastet als bisher werden 8 Mill. Rentner, die mehr 14.375 € (Einzelperso­nen) bzw. 22.051 € (Ehepaare) jährlich beziehen. Für sie sind – anders als für Beamte und Selbstständige – keine Ausgleichsmaßnahmen zur Erhöhung der CSG vorgesehen.

    Die Taxe d'habitation (Wohnungssteuer) muss seit 1974 jeder Einwohner Frankreichs für Wohnungen oder Häuser, die er am 1. Januar eines Jahres, egal ob als Eigentümer oder Mieter, bewohnt, bezahlen. Diese Steuer wird von den Gemeinden erhoben und soll dazu beitragen, öffentliche Leistungen auf kommunaler Ebene, z.B. Schulangebote, Sozialarbeit, Sportanlagen, zu finanzieren. Ihre Höhe richtet sich nach zwei Kompo­nenten: Zum einen nach dem vom Katasteramt festgelegten Mietwert der Wohneinheit (dieser errechnet sich u.a. nach Wohnfläche, Ausstattung, Lage) und dem von der jeweiligen Gemeinde jährlich festgelegten Berechnungssatz. Die Woh­nungssteuer ist in großen Städten wie Paris, Bordeaux oder Lyon, die auch auf Steuereinnahmen von ortsansässi­gen Unternehmen zurückgreifen können, niedriger als in ländlichen Gemeinden, denen kaum Steuereinnahmen aus anderen Quellen zur Verfügung stehen. Im Jahr 2016 konnten die französischen Gemeinden über die Woh­nungssteuer 21,9 Mrd. € einnehmen.
    Im Februar 2017 hat Emmanuel Macron versprochen, 80% der Haushalte von ihr befreien zu wollen, die 20% der bestverdienenden Haushalte sollen sie in vollem Umfang weiter bezahlen. Die Wohnungssteuer sei „ungerecht und unlesbar“ so Macron, denn die Grundlagen ihrer Festlegung stammten aus den 70er-Jahren und wurden nicht der Entwicklung des Immobilienmarktes angepasst, die Art ihrer Berechnung sei zu komplex. Von dem Erlass der Wohnungssteuer werden vor allem die Empfänger mittlerer Einkommen profitieren, Bezieher niedriger Einkommen sind von der Wohnungssteuer entweder bereits befreit oder aber bezahlen einen ermäßigten Satz.
    Für das Jahr 2018 soll die Wohnsteuer zunächst um ein Drittel reduziert werden, alle vorgesehenen Haushalte sollen gleichermaßen von dieser Entlastung profitieren. In welcher Weise die Kommunen für den staatlich verord­neten Einnahmeausfall in Höhe von 3 Mrd. € entschädigt werden, ist noch unklar.

    Die Impôt de Solidarité sur la Fortune (ISF – Vermögenssteuer) müssen bisher Haushalte bezahlen, deren Ver­mögen 2,57 Mill. € übersteigt, das waren im Jahr 2015 343.000, die zusammen über die ISF 5,2 Mrd. € an den Staat abführen mussten. Zum 1. Januar 2018 soll die ISF in eine Steuer auf Immobilienwerte umgewandelt werden, mobiles Vermögen, das z.B. in Aktien, Lebensversicherungen oder Firmenbeteiligungen angelegt ist, soll nicht mehr besteuert werden. Durch diese Reform sollen die Vermögenden dazu bewegt werden, ihr Geld eher in Risikoanla­gen denn in Immobilien zu investieren; außerdem soll sie die Kapitalflucht eindämmen. Der Staat verzichtet dafür auf Steuereinnahmen in Höhe von ca. 3 Mrd. €. Einkünfte aus Geldanlagen sollen ab 2018 über eine „flat tax“ in Höhe von ca. 30% besteuert werden, Sparbü­cher und Lebensversicherungen sind davon ausgenommen. Die neue Regelung entspricht einer Steuererleich­terung in Höhe von ca. 1,5 Mrd. €.

    2. August 2017

    2. August 2017: Kürzung des Wohngelds um 5 € zum 1. Oktober 2017

    Neben verschiedenen Reformen der Besteuerung (s. Von der Regierung Philippe vorgesehene Änderungen im Be-reich der Besteuerung, 26. Juli 2017) hat die französische Regierung Ende Juli auch angekündigt, die Aide au logement (AL – Wohngeld) ab dem 1. Oktober 2017 um 5 € im Monat zu senken. Da der Premierminister bereits in seiner ersten Regierungserklärung Anfang Juli angekündigt hatte, die staatliche Wohngeldvergabe im Hinblick auf Einsparmöglichkeiten kritisch überprüfen zu wollen, kam diese Entscheidung nicht überraschend, wurde aber – auch im Hinblick auf die Anpassung der Impôt de Solidarité sur la Fortune (ISF – Vermögenssteuer) zugunsten der Vermögenden – überwiegend kritisch aufgenommen.

    Derzeit gibt es drei verschiedene Unterstützungsformen, um Wohnraum zu erhalten bzw. ihn zu sichern:

    1. Das personalisierte Wohngeld erhalten 2,8 Mill. Personen. Sie bekommen im Durchschnitt 250 € pro Monat als Beihilfe zur Miete von Sozialwohnungen oder Privatwohnungen, die als Sozialwohnungen anerkannt sind.
    2. Das Wohngeld für Familien wird an 1,3 Mill. Familien ausbezahlt, die mindestens zu dritt in einem Haushalt leben. Es dient als Unterstützung für die Miete (oder Erwerb) von Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt vergeben wird und beträgt durchschnittlich 321 € pro Monat.
    3. Das Wohngeld für Alleinstehende oder Paare wird derzeit an 2,4 Mill. Paar- oder Singlehaushalte ausbezahlt und unterstützt sie mit durchschnittlich 195 € pro Monat bei der Miete von Wohnungen im Privatbesitz. Die meisten der 800.000 Studenten, die Anspruch auf Wohngeld haben, beziehen diese Beihilfe.

    Insgesamt 6,5 Mill. Franzosen verteilt auf 5,8 Mill. Haushalte profitieren von Wohngeldzahlungen des Staates, dies entspricht knapp 10% der französischen Bevölkerung. 95 % von ihnen sind Mieter, 53 % sind alleinstehend, 60 % leben unter der Armutsgrenze. In Frankreich stehen 12,3 Mill. Wohneinheiten zur Miete zur Verfügung, davon sind 7,1 Mill. in Privatbesitz und 5,2 Mill. Sozialwohnungen.

    Im Jahr 2017 wird der französische Staat voraussichtlich über 18 Mrd. € für Wohngeld ausgeben, 2016 waren es 17,6 Mrd. €. Davon sind 8,5 Mrd. zur Unterstützung der Miete von Wohneinheiten in Privatbesitz aufgewendet worden, 8,2 Mrd. € zur Miete von Sozialwohnungen und 0,9 Mrd. € für Beihilfen für den Erwerb von Privateigentum durch Familien mit eingeschränktem Budget. Im Jahr 2000 lagen die Ausgaben noch bei 11,7 Mrd. €, in den vergangenen Jahren sind sie jährlich um 400 bis 500 Mill. € angestiegen.

    Bereits während der Regierungszeit François Hollandes wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um sie einzuschränken, z.B. wurden 77.000 Familien, deren Mieten als zu hoch eingestuft wurden, die monatlichen Beihilfen um 70 € gekürzt, und Studenten, deren Eltern Vermögenssteuern bezahlen, vom Bezug ausgeschlossen. Die nun beschlossene Kürzung reduziert die Aufwendungen um ca. 400 Mill. € im Jahr, im laufenden Jahr werden so noch zwischen 87 und 100 Mill. € eingespart.

    Regierungsvertreter rechtfertigen sie damit, dass 5 € pro Monat kein spürbarer Verlust seien und von dem Wohngeld v.a. private Wohnungseigentümer profitierten, die in dem Wissen, dass ihre Mieter es bezögen, die Mieten erhöht hätten. Dadurch habe das Wohngeld in mancher Hinsicht einen inflationären Effekt.

    Dem widersprechen Mitglieder von Organisationen, die die Interessen von sozial Bedürftigen wahrnehmen: Die Wohnungseigentümer würden erst im Nachhinein erfahren, dass ihre Mieter Anrecht auf Wohngeld hätten. Ein „inflationärer Effekt“ könne nicht bewiesen werden, sicher sei aber, dass das Wohngeld zur Kaufkraft ihrer Empfänger beitrage. Sie kritisieren, dass alle Bezieher von der Kürzung gleichermaßen betroffen sind, sie sie aber unterschiedlich hart träfe: Für eine Familie mit drei Kindern, die eine kleine Beihilfe zur Miete ihrer Wohnung erhalte, sei der Verlust von 5 € pro Monat sicher zu verkraften, für einen Empfänger des Revenu de solidarité active (RSA – Mindesteinkommen), dem nach Abzug aller laufenden Kosten 58 € monatlich für seine Ernährung zur Verfügung stünden, eher nicht. Außerdem steige das Wohngeld seit Jahren langsamer an als die Mieten. Der kontinuierliche Anstieg der staatlichen Aufwendungen für Wohnbeihilfen erkläre sich damit, dass die Zahl der Zuwendungsberechtigten ständig größer werde, und dies, obwohl die Bedingungen für den Bezug angehoben worden seien: Zwischen 1988 und heute sei sie um 2 Mill. Menschen angestiegen, zwischen 2006 und heute um 600.000; die Zahl der Franzosen, die unter der Armutsgrenze leben, ist seit 2008 von 7,7 Mill. auf 8,7 Mill. angewachsen.

    Vertreter von Betroffenenorganisationen fordern deshalb, verstärkt Sozialwohnungen zu bauen, die zu niedrigen Mieten an Bedürftige vergeben werden sollten, was auch eine Reduktion der Wohngeldzahlungen zur Folge hätte. Für die Mieten von privatem Wohnraum, für die Beihilfen beantragt werden, sollten Maxima festgelegt werden, die sich an den Preisen auf dem lokalen Wohnungsmarkt orientieren.

    18. September 2017

    18. September 2017: Neue Regelungen im Schulbereich zur Rentrée 2017

    Zu Beginn des Schuljahres 2017/18 hat Bildungsminister Jean-Michel Blanquer verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Situation an den französischen Schulen vorgestellt. Oberstes Ziel aller Bemühungen müsse sein, so der Minister, dass jeder Schüler am Ende seiner Grundschulzeit gut lesen, schreiben und rechnen könne und jeden an seiner Schule respektiere.

    Verkleinerung von REP- und REP+-Grundschulklassen auf 12 Schüler: Wie von Emmanuel Macron im Wahl­kampf angekündigt, werden in den Grundschulen, die in den 869 Zonen mit erhöhtem Bildungsbedarf, den soge­nannten Réseaux d’Éducation Prioritaire (REP) bzw. Réseau d'éducation prioritaire renforcé (REP+) liegen, die ers­ten beiden Grundschulklassen auf zwölf Schüler verkleinert. Zum Schuljahresbeginn 2017 sind von dieser Maß­nahme 2.500 erste Klassen in REP+-Zonen betroffen, 2018 und 2019 sollen alle ersten und zweiten Klassen in den REP-Grundschulen auf die Hälfte der eigentlichen Regelgröße von 24 Schülern reduziert werden. In 86% der Schulen können die neu eingerichteten kleinen Klassen in jeweils eigenen Räumen unterrichtet werden, in 14% teilen sich zwei Lehrkräfte ein Klassenzimmer. Um diese neuen Klassen unterrichten zu können, wurden andere Grundschulklassen vergrößert, Vertretungslehrer eingestellt und Lehrern, die bisher für pädagogische Sonderauf­gaben und besondere Maßnahmen von Klassenlehreraufgaben befreit waren, wieder Klassen zugeteilt. Zwei Drittel der Stellen für Sonderaufgaben, die 2013 im Rahmen des Programms "Mehr Lehrer als Klasen" eingerichtet wur­den, sollen erhalten bleiben. Im Laufe des Schuljahres sollen diese Maßnahme und „Zwölf Schüler pro Klasse“ vergleichend evaluiert werden.

    Rückkehr zur Vier-Tage-Woche in Grundschulen: 2013 und 2014 war die traditionell viertägige Grundschul­wo­che mit einem freien Mittwoch zugunsten einer Viereinhalb-Tage-Woche mit einem früheren Schulschluss von Montag- bis Freitagnachmittag sowie einem freien Mittwochnachmittag abgeschafft wor­den. Diese Änderung war hoch umstritten, auch weil damit für die Gemeinden wegen des früheren Schulendes ein höherer außerschulischer Betreuungsaufwand verbunden war. Ab diesem Schuljahr steht es den Gemeinden nun frei zu entscheiden, ob an ihren Grundschulen vier oder viereinhalb Tage unterrichtet wird. 31,8% der Grundschulen an denen 28,7% der Grundschüler unterrichtet werden, sind zum Vier-Tage-Rhythmus zurückgekehrt. Diese Schulen befinden sich vor allem in ländlichen Gebieten.

    Landesweite Evaluierung der Leistungen der Erst- und Sechstklässler: Um das Leistungsvermögen der Schü­ler national und international vergleichen zu können, sollen in allen ersten und sechsten Klassen zu Beginn des Schuljahres einheitliche Tests durchgeführt werden. 2009 unter der Präsidentschaft Sarkozys eingeführte Ver­gleichstests für die zweiten und fünften Klassen waren 2013 unter der Präsidentschaft Hollandes abgeschafft worden.

    Rücknahme von Teilen der Reform der Mittelschulen (Réforme du Collège): Die 2016 geschlossenen Klas­sen, in denen ab der sechsten Klassen zwei Fremdsprachen parallel unterrichtet werden (classes bilangues), wer­den zum Schuljahr 2017/18 wieder eröffnet. Außerdem kann ein Collège nun auf eigene Initiative „classes bi­langues“, sogenannte „Europaklassen“, mit verstärktem Unterricht in einer Fremdsprache oder Klassen mit ver­stärkten Lateinunterricht anbieten, allerdings werden dafür keine zusätzlichen Mittel vergeben. 13% der Collèges wollen zur Rentrée eine Europaklasse ab dem siebten Schuljahr einrichten, 18% planen, die Stundenzahl für La­tein/Griechisch-Zug zu erhöhen.

    Zusatzangebote zur Unterstützung der Schüler: An den Collèges soll ab November für diejenigen Schüler, die es möchten, Hausaufgabenbetreuung angeboten werden. Der Minister plant dafür den Einsatz von Lehrern, die Überstunden leisten wollen, pädagogischen Hilfskräften, ca. 10.000 Jugendlichen, die einen Zivildienst leisten, und Vertretern von Vereinen. Für Fünftklässler, die ihre Mathematik- und Französischkenntnisse vor dem Übertritt auf das Collège verbessern wollen, sollen Kurse in den Schulferien angeboten werden. Hierfür sollen Lehrer, die sich freiwillig melden, auf Überstundenbasis bezahlt werden.

    Reduzierung des schulischen Hilfspersonals: Für das kommende Schuljahr soll die Zahl der staatlich subven­tionierten Hilfskräfte an Grundschulen und Kindergärten, die für die Betreuung behinderter Schüler, Sekretariats- und Putzarbeiten und die Mitarbeit in den Schulkantinen eingesetzt werden, von 460.000 auf 310-320.000 redu­ziert werden. Viele Gemeinden stellt dies vor Probleme, da sie die Subventionen für das Hilfspersonal eingeplant hatten. Die Regierung hat nach teils harschen Reaktionen zugesichert, zumindest alle 50.000 Stellen zur Unter­stützung von Schülern mit Behinderung vorerst weiter zu finanzieren.

    Reform des Abiturs (Baccalauréat): Die Prüfungen, die für das Baccalauréat abgelegt werden müssen, sollen sich ab 2021 auf einige Kernfächer beschränken, alle anderen Fächer sollen kontinuierlich im Laufe des Schuljahrs geprüft werden. Dazu muss der Ablauf der drei letzten Schuljahre am Lycée ingesamt geändert werden. Zur Dis­kussion und Planung dieser tiefgreifenden Veränderungen sollen im September zwei Persönlichkeiten benannt werden.

    22. September 2017

    22. September 2017: Belebung des Immobilienmarkts und weitere Kürzungen des Wohngelds

    Am 20. September hat die Regierung erklärt, wie sie den Immobilienmarkt in Gebieten beleben möchte, in denen das Angebot an verfügbaren Wohnungen nicht die Nachfrage befriedigen kann (an der Côte d’Azur, im Großraum Paris und anderen Ballungsräumen). Gleichzeitig wurden für das kommende Jahr Kürzungen der Wohngeldzahlun­gen in Höhe von 1,4 Mrd. € be­kannt gegeben

    Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum in Regionen mit einem angespannten Immobilienmarkt

    • Privatbesitzer, die in den nächsten drei Jahren bebaubare Grundstücke veräußern, sollen von der Steuer auf den Gewinn, den sie beim Verkauf erzielen, befreit werden. Firmen, die Büro- oder Gewerbeflächen mit dem Zweck abtreten, sie in Wohnraum umzuwandeln, sollen einen redu­zierten Steuersatz auf den damit erzielten Gewinn bezahlen.
    • Einkommenssteuerbegünstigungen für Privathaushalte, die Wohnungen mit dem Zweck erwerben, sie zu vermieten, sollen auf Regionen beschränkt werden, in denen tatsächlich ein Bedarf an Mietwohnungen besteht.
    • Zinslose Kredite, die an Haushalte mit niedrigem Einkommen für den Erwerb von Wohneigentum vergeben werden, sollen nur für den Kauf von Immobilien in Gegenden gewährt werden, in denen der Wohnungs­markt angespannt ist.
    • Bis 2022 sollen 80.000 Wohnungen für Jugendliche entstehen, davon 60.000 für Studenten und 20.000 für junge Berufstätige.
    • Die Möglichkeiten, gerichtlich gegen Bauvorhaben in der eigenen Nachbarschaft vorzugehen, sollen ein­geschränkt werden, in diesem Zusammenhang sollen auch bestehende Normen gelockert werden. Die Gerichtsverfahren zur Klärung von Klagen gegen Baumaßnahmen sollen beschleunigt werden. Derzeit ist der Bau von 30.000 Wohnungen wegen laufender Verfahren blo­ckiert.
    • Gemeinden, die auf ihrer Gemarkung mit eigenen Mitteln Wohnraum schaffen wollen, sollen von der Re­gierung finanziell unterstützt werden. Bisher halten sich die Gemeinden beim Bau von Wohnungen zurück, da die Menschen in dicht besiedelten Räumen meist nicht wollen, dass in ihrer Umgebung neuer Wohn­raum entsteht.

    Kürzungen des Wohngelds und damit verbundene Einsparungen im sozialen Wohnungsbau
    Die Regierung plant, die Ausgaben für Wohngeld, die den Staatshaushalt 2017 mit ca. 18 Mrd. € belasten, 2018 um 1,4 Mrd. € zu reduzieren. Diese Kürzungen betreffen ausschließlich die Wohngeldempfänger, die in Woh­nungen leben, die Organisationen zur Schaffung und Verwaltung von sozialem Wohnraum gehören. Diese Mieter sollen ab 2018 durchschnittlich 50 € weniger monatlich als Wohnbeihilfe erhalten. Um die Kaufkraft dieser Haus­halte nicht zu verringern, sollen die vermietenden Organisationen die Mieten den Kürzungen entsprechend senken.

    Die von der Regierung geplanten Einsparungen gehen folglich zunächst zu Lasten der nicht gewinnorientierten Vermieterorganisationen, die in der Union sociale pour l'habitat organisiert sind. Zusammen stellen sie insgesamt 4,8 Mill. Wohnungen zur Verfügung, in denen 11 Mill. Menschen leben; 2,2 Mill. ihrer Wohneinheiten belegen Haushalte, die im Jahr 2017 insgesamt 8,2 Mrd. € an Wohn­geld erhalten werden.

    Vertreter der Mitglieder der Union sociale pour l'ha­bitat beklagen, dass die geplanten Einsparungen ihnen jeden finanziellen Spielraum nehmen würden. Sie könnten trotz steigenden Bedarfs keine neuen Woh­nungen mehr bauen, bestehende Wohnungen nicht mehr re­novieren oder energetisch sanieren. Auch die Serviceleistungen für ihre Mieter müssten sie einschränken.

    Um die fehlenden Mieteinahmen auszugleichen bietet die Regierung ihnen u.a. an, die Laufzeiten ihrer Kredite zu verlängern und den Verkauf ihrer Wohnungen zu erleichtern. Vor allem letzterer Vorschlag stößt auf massive Ablehnung, da darin ein Einstieg in den Ausverkauf von Sozialwohnungen gesehen wird.

    Die Beihilfen für die Miete von Wohneinheiten in Privatbesitz, die 2017 mit 8,5 Mrd. € zu Buche schlagen, sind von den Sparplänen der Regierung nicht betroffen. Dies liegt an den fehlenden rechtlichen Möglichkeiten, private Ver­mieter zur Absenkung der von ihnen erhobenen Mieten zu zwingen. Präsident Emmanuel Macron hat sie am 5. September allerdings dazu aufgefordert, die Mieten für Wohngeldempfänger entsprechend der im Sommer be­schlossenen Wohngeldkürzung in Höhe von 5 € zu senken.

    Experten fordern hingegen, für die Mieten von privatem Wohnraum, für die Beihilfen beantragt werden, Maxima festzulegen, um so die Ausgaben auch in diesem Bereich zu senken. Diese Forderung wird von Regierungsseite nicht aufgenommen. Sie verweist darauf, dass ein größeres Angebot an Wohnraum mittelfristig zu einer Absen­kung des Mietniveaus führen würde und so eine Reduzierung der Unter­stützungsleistungen für die Miete von Wohnraum in Privatbesitz zur Folge hätte.

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