Die Villa Frischauer wurde in den 1920er als Wohnhaus für eine großbürgerliche jüdische Familie gebaut, die von den Nationalsozialisten vertrieben und von der vier Mitglieder im KZ ermordet wurden. Seit 1956 ist sie Sitz des dfi.
Die Villa Frischauer in der Asperger Straße 34 wurde im Jahr 1923 für Hans Frischauer (geb. 1883) und seine Familie errichtet, die Pläne stammten vom Ludwigsburger Architekten Otto Eichert. Der Vater von Hans Frischauer hatte 1905 das Asperger Zweigwerk der Chemischen Fabrik Weil & Eichert aus Ludwigsburg aufgekauft und die Leitung seinem Sohn übergeben. Hans Frischauer war deutscher Jude mit tschechischem Pass, politisch in der SPD engagiert, wirtschaftlich erfolgreich und als Arbeitgeber geschätzt. Seine Farben- und Lackfabrik Frischauer & Co. war einer der bedeutendsten Betriebe in der Region, ihre Kunden waren u.a. die Deutsche Reichsbahn, Landesunternehmen und kommunale Einrichtungen.
Das Haus wurde im italienischen Stil mit klassizistischen Elementen gebaut und von Hans Frischauer gemeinsam mit seiner Ehefrau Meta (geb. 1895) und den drei Kindern Gertrud (geb. 1921), Robert (geb. 1922) und Walter (geb. 1929) bewohnt. Die Villa galt als Symbol bürgerlicher Stabilität in der Weimarer Republik und ist heute als Kulturdenkmal anerkannt. Die Familie war in Ludwigsburg gut integriert und fest im gesellschaftlichen Leben verankert.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 änderte sich dies: Hans Frischauer wurde zunehmend entrechtet, wirtschaftlich unter Druck gesetzt und schließlich verfolgt. Bei einer Betriebsprüfung im Mai 1938 wurde ihm wegen angeblicher Steuerhinterziehung ein Strafverfahren angedroht, das später als unbegründet eingestuft wurde. Noch im selben Jahr floh er mit seiner Familie nach Prag. Der Einzug seines Vermögens folgte: 1939 wurde die Villa von der Stadt Ludwigsburg für 37.500 Reichsmark erworben, ein Preis, der weit unter dem Marktwert und dem Bauwert von 120.000 RM lag. Auch der Erlös aus dem Verkauf kam der Familie nicht zugute, da es für Hypotheken und NS-bedingte Sonderabgaben verwendet wurde. Die Stadt erklärte das Haus zur Dienstwohnung des Oberbürgermeisters, bis zum Kriegsende in Ludwigsburg residierte darin der nationalsozialistische Oberbürgermeister Dr. Karl Frank.
Im März 1942 wurden Hans, Meta, Robert und Walter Frischauer aus Prag nach Theresienstadt deportiert. Wenige Tage später wurden sie ins Vernichtungslager Izbica gebracht, wo sie ermordet wurden. Die einzige Überlebende der Familie war Tochter Gertrud, die 1939 über die Schweiz nach Großbritannien emigrieren konnte.
Nach dem Krieg wurde die Villa zunächst von der amerikanischen Militärregierung beschlagnahmt und anschließend durch das Amt für Vermögenskontrolle verwaltet. Nach dem Krieg forderte die überlebende Tochter das Haus zurück. Die Stadtverwaltung zeigte sich zunächst uneinsichtig, doch 1950 erfolgte die Rückübertragung an Gertrud Frischauer als rechtmäßige Eigentümerin.
Sie vermietete das Haus nach dem Auszug der amerikanischen Offiziere, die darin seit Kriegsende untergebracht wurden, 1956 an das dfi. In der Berichterstattung über den Einzug des dfi in die Villa spielte das tragische Schicksal ihrer ursprünglichen Bewohner allerdings keine Rolle: Anlässlich einer Veranstaltung zu Rainer-Maria Rilke und André Gide in den Räumlichkeiten würdigte ein Journalist der Ludwigsburger Kreiszeitung ihre Atmosphäre mit dem Satz „Obwohl die offizielle Einweihungsfeier des neuen Hauses erst in einiger Zeit stattfinden soll, musste man diese stille Stunde als eine Weihehandlung betrachten, die die deutsche Gefühlswelt und zugleich die cartesianische „Klarheit" der Franzosen als gute Geister beschwor“. Die früheren Besitzer erwähnte er im gleichen Artikel aber mit keinem Wort. 1965 erwarb die Stadt Ludwigsburg die Villa erneut – diesmal zu marktüblichen Konditionen und auf legale Art und Weise. Das dfi blieb weiterhin sein Mieter.
Die Räume der Villa Frischauer wurden von 1956 bis 1998 sowohl als Wohnung von den Direktoren des dfi und ihren Familien als auch für Bürotätigkeiten von Institutsmitarbeitern genutzt. Seit 1998 dienen sie ausschließlich als Büro- und Veranstaltungsräume. Gertrud Karoline Basto, geb. Frischauer, besuchte ihr Elternhaus nur ein einziges Mal, im Jahr 1998, wieder und wurde damals von Hannelore Braun, Sekretärin und Verwaltungsleiterin des dfi von 1961 – 2009, durch die Villa geführt.
Die Geschichte der Familie Frischauer blieb lange Zeit unbeachtet. Erst Anfang der 2000er-Jahre begann man sich mit der Vergangenheit des Hauses und ihren ursprünglichen Besitzern zu beschäftigen. Im Jahr 2009 wurden vor der Villa vier Stolpersteine verlegt, die an Hans, Meta, Robert und Walter Frischauer erinnern.






